Wenn es nach Verdi geht, sollen die Rentner demnächst mehr Geld bekommen. Foto: dpa

2016 werden die Renten so stark steigen wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr. Zugleich lebt die Rentenversicherung von der Substanz. Die milliardenschweren Rücklagen schmelzen dahin.

Berlin - Die Gewerkschaft Verdi will die Rente im kommenden Jahr in den Mittelpunkt ihrer Kampagnen stellen. Verdi-Chef Frank Bsirske warnt: „Millionenfach droht Altersarmut.“ Verdi werde 2016 dafür streiten, dass das Niveau, das die gesetzliche Rentenversicherung bietet, steigt: „Für uns“, so der Gewerkschafter weiter, „ist das eine der Grundfragen der sozialen Gerechtigkeit.“

 

Er bekommt Unterstützung vom DGB: Annelie Buntenbach, Mitglied im DGB-Bundesvorstand und im Wechsel mit einem Arbeitgebervertreter im Vorstand der Rentenversicherung, sagt voraus:„Vielen droht der soziale Abstieg.“

Die Gewerkschaften wollen ein Thema in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion der Altersbezüge rücken, das vor Jahren beschlossen wurde: Mit der Einführung der staatlich geförderten Riester-Rente wurde beschlossen, dass das Niveau der gesetzlichen Rente schrittweise abgesenkt wurde. Und auch auf mittlere Sicht ist mit weiteren Einbußen bei der Versorgung zu rechnen. Derzeit kommt ein Neurentner, der 45 Jahre lang Durchschnitt verdient hat, auf eine Rente vor Steuern in Höhe von 47.7 Prozent des letzten Nettolohns. Laut Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung soll dieser Wert im Jahr 2029 nur noch bei 44,7 Prozent liegen. Gewerkschafter weisen darauf hin, dass eine weitere Absenkung des Rentenniveaus künftigen Rentnergenerationen hohe Einbußen bei den Alterseinkünfte beschere. Die Gewerkschaften fordern die Politik auf, tätig zu werden. Buntenbach: „Wenn nicht gehandelt wird, wird das Rentenniveau nach 2030 mit Sicherheit unter die 43-Prozent-Marke sinken.“

Steigen Beiträge früher?

Bsirske bringt höhere Beiträge ins Spiel.„Um die Rente zu stärken, darf auch ein Beitragsanstieg kein Tabu sein.“ Derzeit liegt der Beitrag, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte aufbringen, bei 18,7 Prozent. Dies ist der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. Laut derzeitiger Planung der Bundesregierung ist ein höherer Beitrag von 19,3 Prozent erst für 2021 vorgesehen.

Der Arbeitgebervertreter im Vorstand der Rentenversicherung, Alexander Gunkel von der BDA, setzt auf ein anderes Konzept: „Der beste Weg, um ein starkes Absinken des Rentenniveaus zu vermeiden, bleiben die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und die schrittweise Erhöhung der Regelaltersgrenzen.“ Der Rentenexperte der Union, Peter Weiß, hält ebenfalls wenig von den Vorschlägen der Gewerkschaften. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte er: „Mehr Menschen in sozialversicherungspflichtigen Jobs und gute Löhne sind das beste Rezept, wenn man langfristig das Rentenniveau stabilisieren will.“ Dies zeige sich gerade in diesen Monaten wieder, da der Boom am Arbeitsmarkt dafür sorge, dass auf einen Rentner mehr Beitragszahler kommen.

Kurzfristig sind die Perspektiven für rund 20,5 Millionen Rentner tatsächlich gar nicht so schlecht: Im Juli werden die Bezüge der gesetzlichen Alterssicherung so stark steigen wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Im Westen ist nach vorläufigen Annahmen eine Anhebung der Renten um knapp 4,4 Prozent vorgesehen. Die Rentner im Osten können sich sogar auf eine Anhebung um voraussichtlich rund 5 Prozent freuen. Bei einer Monatsrente von 1000 Euro wäre dies ein Zuschlag um immerhin 44 Euro im Westen oder 50 Euro im Osten – vor Steuern, versteht sich.

Rentenkasse zehrt von der Substanz

Tatsache ist aber auch, dass die Rentenversicherung von der Substanz lebt. Derzeit verfügen die Rentenkassen noch über ein ansehnliches Finanzpolster, das Ende November 33,9 Milliarden Euro umfasste. Das ist nur leicht weniger als vor einem Jahr, als die Reserven den Rekordwert von 35 Milliarden Euro ausmachten. Aber das Polster schmilzt. Die Rentenversicherung wird dieses Jahr voraussichtlich mit einem Minus von zwei Milliarden Euro abschließen. Schätzungen gehen davon aus, dass das Defizit im kommenden Jahr mit vier Milliarden Euro etwa doppelt so hoch ausfallen wird wie in diesem Jahr. Und schon 2020 werden die Rücklagen so weit aufgezehrt sein, dass die gesetzliche Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben erreicht ist und der Gesetzgeber gezwungen ist gegenzusteuern und für eine Entlastung zu sorgen, Vermutlich, indem er die Beiträge anhebt.

Ein Grund für die hohen Ausgaben ist das Rentenpaket der Bundesregierung: Sie hatte beschlossen, dass Mitte letzten Jahres die höhere Mütterrente für Geburten vor 1991 ein geführt wird. Außerdem wurde beschlossen, dass Arbeitnehmer nach 45 Beitragsjahren schon mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen können. Diese höchst umstrittenen Entscheidungen belasten die Rentenkassen in der Zukunft jedes Jahr mit Milliardenbeträgen. Allein im laufenden Jahr werden die Belastungen durch Mütterrente und Rente mit 63 auf rund neun Milliarden Euro geschätzt.