Leinfelden-Echterdingens Oberbürgermeister Roland Klenk beim Spatenstich des Daimler Truck Campus im Juli 2018. Foto: Guenter E. Bergmann

Der neue börsennotierte Konzern Daimler Truck verändert in den Standortgemeinden die Gewerbesteuerzahlungen erheblich. In Stuttgart, Sindelfingen und Leinfelden-Echterdingen darf man sich nach Einschätzung von Experten Hoffnungen machen.

Stuttgart - Sie liegt erst ein paar Tage zurück, die Nachricht, die die Automobilwelt vor allem in Stuttgart und der Region beschäftigt: Die Daimler AG will sich noch in diesem Jahr in zwei börsennotierte Unternehmen aufspalten. Die Mercedes-Benz AG vereint das Pkw- und Van-Geschäft unter ihrem Dach, die neue Daimler Truck AG die Nutzfahrzeugsparte. Das liefert Diskussionsstoff – und der wird jetzt noch zusätzlich angereichert durch die Aussage, Daimler Truck werde seinen Hauptsitz von Untertürkheim nach Leinfelden-Echterdingen verlegen, wo man 2000 Mitarbeiter aus der ganzen Region zusammenzieht. Denn für die Standortgemeinden geht es nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch um die Gewerbesteuer und damit im einen oder anderen Fall um eine große Stange Geld.

Grundsätzlich verbietet das Steuergeheimnis die Offenlegung von genauen Zahlen. Doch als sicher gilt, dass die Abspaltung der Lkw-Sparte vom Daimler-Konzern zwischen den Gemeinden mit Standorten des Konzerns zu finanziellen Verschiebungen führen wird. Und das in manchem Fall auf vielleicht durchaus überraschende Weise. Stuttgart etwa verliert zwar die Truck-Zentrale und auch Mitarbeiter nach Leinfelden-Echterdingen, könnte aber letztlich trotzdem einen warmen Geldregen erwarten. Ähnlich wie zum Beispiel Sindelfingen.

Wie das sein kann? Bisher zahlt Daimler Gewerbesteuer auf den Gesamtgewinn aller Sparten, aufgeteilt nach den Lohnsummen pro Standort. Kapitalmarktexperten sind überzeugt, dass künftig beide Konzernteile getrennt betrachtet werden. Weil die Pkw-Sparte pro Mitarbeiter aber viel mehr Gewinn erzielt als die Nutzfahrzeugsparte, werden Standorte mit hohem Pkw-Anteil wie Stuttgart und Sindelfingen voraussichtlich profitieren, während Gemeinden mit Lkw-lastigen Werken wie Mannheim Belastungen zu erwarten haben. Selbst wenn sich die Lohnsumme am Standort nicht ändert, sind durch die Abspaltung Verschiebungen zu erwarten, sagt Nadja Dwenger, Professorin für Finanzwissenschaft an der Uni Hohenheim. Die Standorte mit der ertragsstärkeren Sparte müssten deren Erträge nach einer Abspaltung nicht mehr mit den Standorten teilen, an denen die ertragsschwächere Sparte angesiedelt ist.

Das neue Areal ist bald fertig

Die Beteiligten halten sich mit Einschätzungen zurück. „Grundsätzlich gilt: Der Anteil am Gewerbesteueraufkommen der einzelnen Gemeinde ist von den Lohnsummen der Daimler-Beschäftigten am Standort abhängig“, heißt es beim Konzern nur. Im Stuttgarter Rathaus äußert man sich zur Gewerbesteuerfrage gar nicht und kommentiert nur die Verlegung des Unternehmenssitzes. „Wir haben uns von Daimler zu deren Umständen unterrichten lassen“, sagt ein Sprecher. „Es sendet ein starkes und positives Signal, dass das Unternehmen weiterhin in der Region Stuttgart bleibt und Arbeitsplätze sichert.“ Auch die Stadt Sindelfingen äußert sich nicht im Einzelnen zur erwarteten Entwicklung der Steuereinnahmen.

Tatsächlich dürfte auch Leinfelden-Echterdingen zu den Gewinnern gehören. Dort baut Daimler derzeit auf einem 22 000 Quadratmeter großen Grundstück im Ortsteil Unteraichen direkt an der Autobahn einen neuen Campus. 2000 Arbeitsplätze aus der Region werden zusammengezogen. Sie sind zwar nur ein kleiner Teil der insgesamt 80 000 Mitarbeiter der künftigen Truck AG, aber die Zahl der Arbeitsplätze in der Fildergemeinde verdoppelt sich. Die künftige Unternehmenszentrale befindet sich bereits seit Sommer 2018 im Bau und soll noch in diesem Jahr bezogen werden.

Auf den Fildern ist man stolz

Dazu kommt das gute Gefühl, künftig Sitz eines Großkonzerns zu sein. „Es war klar, dass im Zuge des Neubaus auch die Führungsebene zu uns nach Leinfelden-Echterdingen umzieht“, sagt OB Roland Klenk. Dass man aber auch noch Unternehmenssitz werde, sei erst jetzt klar geworden. „Wir fühlen uns geehrt, einen zukünftigen Dax-Konzern in der Stadt willkommen zu heißen“, freut sich Klenk. Dies sei ein weiterer Beleg der hervorragenden Standortqualität. Er gehe davon aus, dass die Kommune auch finanziell profitiere.

Welche enormen Folgen Änderungen in der Konzernlandschaft für die Kommunen bedeuten können, hat sich in der Region erst vor einigen Jahren gezeigt. Als Porsche mit VW verschmolz, ist die Gewerbesteuer an den Porsche-Standorten eingebrochen. Seither fließt ein Großteil des Steuergelds an die viel mitarbeiterstärkeren VW-Standorte.