Fast 17 Meter tief ist der Schacht für den Anschluss an die Hauptabwasserleitung. Foto: Patricia Sigerist

Im Zuge der Erschließungsarbeiten auf den Areal südlich der Siemensstraße werden im Untergrund die neuen Rohre für den Anschluss an die Hauptabwasserleitung gelegt. Die Kosten für den neuen Schacht liegen bei gut 500 000 Euro.

Fellbach - Hier fließt alles durch, was zuvor über die Toilettenspülung, den Waschbeckenabfluss oder über den Siphon in der Küche hinabbefördert wurde. Es geht um den Abwasserkanal. In Fellbach gibt es zwei davon, jedenfalls zwei Hauptkanäle. Der eine bringt das Abwasser der südlichen Kernstadt in Richtung Kläranlage Erbach.

Der Abwasserkanal verläuft in Verlängerung der Philipp-Reis-Straße direkt unterhalb des künftigen Gewerbegebiets Siemensstraße

Der andere Hauptkanal führt von Fellbach gen Norden über Schmiden und Oeffingen an der einstigen Kläranlage Weidachtal vorbei und weiter zum Hauptklärwerk in Stuttgart-Mühlhausen.

Was sicher von den wenigsten bemerkt wurde: In diesen Tagen hätte man einen Blick in die Tiefe des Abwasserkanals werfen können – freilich nur als Befugter, denn angesichts der Gefahr, fast 17 Meter hinab zu stürzen, war das Areal natürlich abgesperrt. Der Abwasserkanal verläuft in Verlängerung der Philipp-Reis-Straße direkt unterhalb des künftigen Gewerbegebiets Siemensstraße. Bei einem Vorort-Termin ist von oben allerdings nur ein leises Gurgeln in der Tiefe zu hören. Und es stinkt auch nichts – von wegen Kloake und so. „Das Abwasser riecht ohnehin nicht stark, allenfalls ein bisschen muffig, und es fließt eben relativ schnell,“ erläutert Ferdinand Beck, der Ingenieur für Umweltschutztechnik bei der Firma Riker und Rebmann aus Murrhardt.

In dieses insgesamt also 128 Tonnen schwere Bauwerk werden die aus drei Richtungen kommenden Abwasserzuläufe eingeführt

Oberirdisch laufen auf dem Areal und der Stichstraße samt großzügigem Wendekreisel für die Lastwagenfahrer die Erschließungsarbeiten, es werden Elektro- oder Internetleitungen verlegt, außerdem wird asphaltiert. Doch auch unter der Erde geht’s zur (nassen) Sache. Denn die Firmen, die sich dort eines Tages angesiedelt haben werden, werden künftig natürlich ebenso gehörige Mengen an Abwasser prodizieren. Die Entsorgung erfolgt dann über die bereits bestehende Hauptabwasserleitung, die im Jahr 1984 bergmännisch, also im Tunnelbau, in knapp 17 Metern Tiefe verlegt wurde– und somit deutlich tiefer liegt als die sonst bei Abwasserrohren üblichen fünf Meter unter der Grasnarbe beziehungsweise unter der Oberfläche.

Um nun überhaupt an dieses waagrecht liegende Rohr mit beachtlichen zwei Metern Durchmesser zu gelangen, wurde zunächst ein kreisrunder Betonring errichtet, in dem sich „ein im Kreis fahrender Bagger Stück für Stück nach unten vorgearbeitet“ und die Erde hinausbugsiert habe, erläutert der Projektleiter Harry Forch vom Fellbacher Tiefbauamt. Der Hauptsammler unten wurde zunächst gegen die sich demnächst darüber stapelnden Lasten gesichert, damit im Rohr nicht Risse oder Einbuchtungen entstehen. Nach und nach wurden die vier jeweils 32 Tonnen schweren Schachtelemente darüber errichtet.

Ein derartiges Projekt erlebe man nicht alle Tage

In dieses insgesamt also 128 Tonnen schwere Bauwerk werden die aus drei Richtungen kommenden Abwasserzuläufe eingeführt. Das Abwasser fällt in die 40 Zentimeter starken Fallrohre und gelangt über einen Deckel am Fuß des Schachts schließlich in den Hauptsammler. Ausgerichtet ist das Hauptrohr auf einen fünfjährigen Regenguss – es muss also eine Maximalmenge an Regenwasser abführen können, wie es statistisch alle fünf Jahre vorkommt.

Den Mitarbeitern der ausführenden Firmen bereitet die Entwässerung des künftigen Gewerbegebiets und die Verknüpfung mit der Hauptableitung sichtlich Freude. „Das ist ein großer Anreiz, bedeutet viel Planung, doch genau das macht den Spaß aus“, erläutert Ferdinand Beck, der sich seit 2015 auch zertifizierter Kanalsanierungsberater nennen darf. Ein derartiges Projekt erlebe man nicht alle Tage, schwärmt auch Pascal Bosch von HSE Bau aus Rommelshausen.

Wenn bis zum Ende dieser Woche auch der Spalt zwischen dem senkrechten, kreisrunden Loch und den quaderähnlichen Elementen in der Mitte verfüllt ist – und damit rein theoretisch niemand mehr hineinstürzen könnte – folgt noch der Innenausbau. Die Straßen herzurichten, das sei das Übliche auf einer solchen Baustelle, „doch der Schacht ist das Herzstück unserer Erschließung hier“, sagt Ferdinand Beck.

Die Arbeiten am Schacht kommen auf etwa 530 000 Euro, der Gesamtbetrag für die Erschließung des neuen Gewerbegebiets liegt bei 1,7 Millionen Euro. Zum Abschluss wird die Ampelanlage an der Zufahrt ins neue Gewerbegebiet, also an der Philipp-Reis-Straße auf der Südseite der Siemensstraße, installiert und freigeschaltet. Wann das sein wird? „Wegen Corona mussten wir neu takten“, sagt Harry Forch. Doch zumindest bis zu den Sommerferien könnte es soweit sein.