Wegen einer tödlichen Auseinandersetzung in Wendlingen steht ein 36-Jähriger vor dem Stuttgarter Landgericht. Foto: dpa

Er soll in Wendlingen (Kreis Esslingen) einen Bekannten brutal attackiert haben, der kurz darauf starb: Ein 36-Jähriger steht deswegen vor Gericht. Doch ist der Angeklagte schuldfähig?

Wegen einer brutalen Auseinandersetzung am Wendlinger Bahnhof muss sich ein 36-jähriger Mann seit Dienstag vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Ihm wird Totschlag vorgeworfen. Laut Anklage soll er am 9. Februar dieses Jahres gegen 17.40 Uhr einen Bekannten in einer Bahnhofsunterführung angegriffen haben. Als der Kontrahent durch die Schläge zu Boden ging, soll der Angeklagte ihn gewürgt und ihm vier wuchtige Tritte gegen den Kopf versetzt haben. „Der Angeklagte wollte dem Opfer erhebliche Verletzungen zufügen“, sagte der Staatsanwalt. Erst als der 36-Jährige davon ausging, dass der regungslos am Boden liegende Mann tödlich verletzt sei, habe er von ihm abgelassen und den Tatort verlassen, so die Überzeugung des Staatsanwalts. Die Gründe für die Auseinandersetzung sind laut Anklage nicht bekannt. Das Opfer starb acht Tage nach der Tat in einem Krankenhaus an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas.

 

Laut einem Polizeibericht sollen sich der 36-Jährige und das 66-jährige Opfer gekannt und in einer Unterkunft für Geflüchtete gewohnt haben. In der Wendlinger Unterführung seien sie aufeinandergetroffen, woraufhin sich ein Kampf entwickelt habe. Der mutmaßliche Angreifer flüchtete nach der Tat zunächst, meldete sich aber wenige Minuten später über Notruf bei der Polizei. Streifenbeamte nahmen den Mann daraufhin in der Nähe des Rathauses fest. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Laut Polizei soll der 36-Jährige bereits mehrfach Körperverletzungsdelikte begangen haben und den Ermittlungsbehörden deswegen bekannt gewesen sein.

Angeklagter nicht schuldfähig? Anwältin verlangt Untersuchung

Die Anwältin des Mannes teilte am Dienstag mit, dass ihr Mandant im Prozess keine Angaben machen werde. Zudem stellte sie einen Antrag, die Schuldfähigkeit des 36-Jährigen zu untersuchen. Sie führte aus, dass ihr Mandant an einer psychischen Störung leidet und sich immer wieder von anderen Menschen verfolgt fühlt. „Er ging von einem Angriff des Opfers aus“, sagte die Anwältin über die Tat. So habe ihr Mandant erwähnt, dass bei der Auseinandersetzung Pfefferspray im Spiel gewesen sei. Da eine entsprechende Dose dort aber nie gefunden werden konnte, deutet dies laut der Anwältin darauf hin, dass ihr Mandant eingebildete Zusammenhänge als real wahrnehme.

Der Angeklagte sei im Gazastreifen aufgewachsen, habe dort unter anderem bei Einsätzen des Militärs traumatische Erlebnisse gehabt und sei durch Schüsse verletzt worden. Dies könne eine mögliche seelische Erkrankung erklären. Er habe sich von dem späteren Opfer und von anderen Bewohnern der Unterkunft verfolgt gefühlt. Auch im Gefängnis habe er Angst vor Mithäftlingen. So berichte der 36-Jährige ihr etwa davon, wie andere Personen über ihn tuschelten. „Er ist aber fast taub. Das kann also nicht mit der Realität übereinstimmen“, untermauerte die Anwältin die Vermutung, dass der Angeklagte nicht gesund sei. Auch dass der 36-Jährige nach der Tat seelenruhig an mehreren Augenzeugen vorbeiging, als ob er sie gar nicht wahrgenommen hätte, sei ungewöhnlich.

Vandalismus und Gewalt: Videoüberwachung am Bahnhof geplant

Der Angeklagte wirkte sichtlich mitgenommen und weinte während eines Gesprächs mit seiner Anwältin am Ende dieses kurzen Verhandlungstags. Insgesamt sind sieben weitere Termine angesetzt. Der Prozess wird am 19. August fortgesetzt, ein Urteil wird voraussichtlich erst im Oktober fallen.

In Wendlingen ist seit Langem eine Videoüberwachung am Bahnhof geplant, da es dort immer wieder zu körperlichen Auseinandersetzungen und Vandalismus kommt. Aufgrund knapper Kassen hat der Gemeinderat dieses Projekt jedoch erneut verschoben.