„Die neue Hooliganszene ist ganz eindeutig rechts orientiert“, sagt ein renommierter Gewalt- und Fan-Forscher. Foto: AFP

Bei den Ausschreitungen in Chemnitz sollen Hooligans aus dem gesamten Bundesgebiet angereist sein. Der Hooliganismus erlebe eine Renaissance auf dem rechtsradikalen Flügel, sagt ein renommierter Fan-Forscher.

Chemnitz/Hannover - Die Hooliganszene gewaltbereiter Fußballfans ist nach Ansicht des renommierten Gewalt- und Fan-Forschers Gunter Pilz politisch klar dem rechten bis rechtsextremen Flügel zuzuordnen. „Die neue Hooliganszene ist ganz eindeutig rechts orientiert. Wir sehen eine Renaissance des Hooliganismus auf dem rechtsradikalen Flügel“, sagte Pilz der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die Ausschreitungen in Chemnitz. Noch in den 80er-Jahren habe es unter den Hooligans nur wenige gegeben, die dem rechten Spektrum zuzuordnen gewesen seien.

In Chemnitz waren Rechtsextreme am Sonntag und Montag durch die Innenstadt gezogen. Nach Erkenntnissen des sächsischen Verfassungsschutzes waren am Montag Hooligans und Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet nach Chemnitz gekommen. Den Kern hatten demnach sächsische Rechtsextremisten gebildet. Laut sächsischem Innenministerium waren aber auch Hooligans aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Thüringen, Berlin und Brandenburg nach Chemnitz gekommen.

Hooligans sind oft zeitlich flexibel

„Im Gegensatz zu den Hooligans der 80er sind die Gruppen heute ausgesprochen gut organisiert und vernetzt“, sagte Pilz. „Die können sich stabsmäßig vorbereiten und ausgesprochen schnell reagieren.“ Zudem komme es immer wieder zu bedrohlichen Verbindungen. „Sie tun sich mit Leuten aus der Türsteher- und der Kampfsportszene zusammen“, warnte Pilz. „Die Szene ist stark von russischen Hooligans bestimmt, die die Kampfsportevents organisieren.“

Hooligans seien oft zeitlich flexibel - „viele verdienen sich ihr Geld im Kampfsport und in der Rauschgiftszene“, sagte Pilz. „Eine neue Untersuchung weist darauf hin, dass es eine Verzahnung zwischen Gewalt im Fußball und der Drogenszene gibt.“

Auch bei der Gewaltbereitschaft habe es eine dramatische Veränderung gegeben, mahnte Pilz. „Anders als früher gibt es keine Grenzen der Gewalt - da wird auch ein Toter in Kauf genommen“, sagte der emeritierte Professor, zu dessen Arbeitsschwerpunkten Gewalt in der Gesellschaft und im Sport gehört.

Die Hooligans haben sich inzwischen mit Nazigruppen vermischt

Regionale Unterschiede in der Hooliganszene seien kaum zu erkennen. „Da gibt es keine Unterschiede zwischen Ost und West“, sagte er. „vielleicht sind sie im Osten noch ein wenig stärker und aggressiver.“ Die Szene in Chemnitz um die Hooligan-Gruppen „Kaotic“ und „NS-Boys“ ist nach Angaben des sächsischen Verfassungsschutzes virulent und mobilisierungsstark. „Die beiden Gruppierungen sind immer wieder unangenehm aufgefallen - schon seit Jahren“, sagte Pilz.

Die Hooligans hätten sich inzwischen mit Nazigruppen vermischt. Pilz: „Sie sind nicht ihr verlängerter Arm - das hat man schon bei Hooligans gegen Salafisten (Hogesa) gesehen.“ Im Oktober 2014 hatten sich bei einer Kundgebung der Hogesa in Köln Hooligans und Rechtsextreme Straßenschlachten mit der Polizei geliefert, etwa 50 Beamte wurden damals verletzt. „Von linken Hooligans ist mir nichts bekannt, auch wenn es vereinzelt linke gewaltbereite Fußballanhänger gibt“, sagte Pilz. Eine „eigene Szene“ sei das aber nicht.