Die meisten betroffenen Länder sollen laut Verein auch sonst von hoher Gewaltbereitschaft im Alltag geprägt sein. (Symbolbild) Foto: dpa/Patrick Pleul

Kinder und Jugendliche weltweit sind in Projekten der Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf Opfer von Gewalt und sexuellen Missbrauchs geworden. Der Verein verspricht Aufklärung.

München - In rund 50 von weltweit 3.000 Projekten der Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf sind Kinder und Jugendliche Opfer körperlicher Gewalt oder sexuellen Missbrauchs geworden. Das geht aus einer vom Dachverband in Auftrag gegebenen Untersuchung hervor, wie der Verein „SOS-Kinderdörfer weltweit“ am Freitag in München mitteilte. Vorwiegend betroffen seien Länder in Afrika und Asien.

Vorstandsvorsitzender Wilfried Vyslozil bat die Opfer um Verzeihung. Die Betroffenen würden finanziell und durch Vermittlung therapeutischer Begleitung unterstützt, Täter und Täterinnen suspendiert, angezeigt und Kontaktverbote veranlasst. Zugleich äußerte Vyslozil sein Bedauern darüber, dass die seit 2008 ergriffenen Maßnahmen wie Präventionstrainings und strenge Verhaltensregeln nicht ausgereicht hätten.

Standards werden nicht überall umgesetzt

Laut Mitteilung hat die Dachorganisation eine Kommission eingesetzt, der unter anderen ehemalige und aktive Oberste Richterinnen und Richter aus Kenia, Sri Lanka und Österreich angehören. Sie soll die Vorfälle „neu bewerten“ und „auch genau hinsehen, ob es weitere Vorfälle gab“. Vyslozil erklärte, man erwarte „für die betroffenen Länder Empfehlungen für eine verbesserte Struktur der nationalen Aufsicht, eine kritische Prüfung der Arbeitsbedingungen und verbesserte Methoden bei der Auswahl von Mitarbeitenden“. Außerdem würden weltweit unabhängige Ombudsstellen geschaffen und ein Entschädigungsfonds eingerichtet.

Nach Angaben des Dachverbands sind die meisten betroffenen Länder von hoher Gewaltbereitschaft im Alltag, fehlenden Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe und Mängeln in Führungs- sowie Aufsichtsstrukturen der SOS-Kinderdörfer geprägt. Es habe sich gezeigt, dass die strengen Standards des Dachverbands „nicht in allen Länderorganisationen gewissenhaft umgesetzt wurden“.

Erstes Kinderdorf entstand in Tirol

SOS-Kinderdörfer gibt es den Angaben zufolge in 137 Ländern. 76.600 Kinder und Jugendliche befinden sich demnach in der Obhut von rund 20.200 Mitarbeitenden.

Die Organisation wurde 1949 von dem österreichischen Medizinstudenten Hermann Gmeiner (1919-1986) in Innsbruck gegründet. Die Grundidee war, dass Waise und Sozialwaise nicht in anonymen Heimen oder Erziehungsanstalten verwahrt werden, sondern in der Geborgenheit einer neuen Familie aufwachsen sollten. Das erste SOS-Kinderdorf entstand in Imst in Tirol. Außer Kinderdörfern betreibt die Organisation inzwischen auch Kindergärten, Schulen, Ausbildungs- und Sozialzentren sowie medizinische Einrichtungen auf vier Kontinenten.