Hundehalter und Angeklagter sehen sich vor Gericht wieder. Foto: Patricia Sigerist

Beim Gassigehen treffen fünf Frauen auf einen Radfahrer, der nach einem ihrer Hunde tritt. Danach kommt es zu Beleidigungen, Steinwürfen und Fußtritten. Jetzt musste sich der Radfahrer vor Gericht verantworten.

Waiblingen - Weshalb sich heutzutage Hundehalter und Menschen ohne vierbeinigen Freund öfter als früher und mitunter auch schmerzhaft in die Wolle kriegen, weiß die Amtsrichterin Dotzauer ganz genau. Hunde, so gab sie jetzt im Waiblinger Gericht aus gegebenem Anlass zu Protokoll, hätten im nördlichen Mitteleuropa mittlerweile einen Status, der sie vor Übergriffen besser schütze als Menschen.

Mit Pfefferspray gegen den Radfahrer

Der gegebene Anlass war ein Zusammentreffen eines radfahrenden 40 Jahre alten Mannes und fünf Frauen, die am Ostermontag 2015 ihre Hunde im Oeffinger Freizeitgelände Langes Tal Gassi führten. Bei diesem Zusammentreffen kam es zunächst zu Fußtritten des Mannes gegen einen der Hunde, danach zu einem heftigen Wortgefecht mit gegenseitig übelsten Beleidigungen, zum Einsatz von Pfefferspray gegen den Radfahrer seitens einer der Frauen und zu Steinwürfen des Mannes in Richtung der Gassi-Geherinnen.

Wegen Steinwürfen und Beleidigungen vor Gericht

Diese Steinwürfe und die ausgestoßenen Beleidigungen brachten dem 40-Jährigen eine Anklage wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung ein. Die jetzt erfolgte Verhandlung vor dem Waiblinger Amtsgericht endete jedoch glimpflich für den Angeklagten. Das Gericht ließ die Vorwürfe gegen den aus Bhutan stammenden Mann gegen die Auflage von 40 Arbeitstunden in einer sozialen Einrichtung fallen. Die Amtsrichterin ließ sich bei ihrer Entscheidung, die auch von der Staatsanwaltschaft getragen wurde, offensichtlich davon leiten, dass zumindest ein Teil der beteiligten Frauen an der Eskalation des Osterspaziergangs nicht unbeteiligt waren.

Während die eigentlich betroffene Hundehalterin die Fußtritte des Radfahrers gegen ihren Terrier namens Emma vor Gericht ganz gelassen schilderte, geriet eine andere 33 Jahre alte Zeugin auch Monate nach dem Vorfall im Gerichtssaal noch immer in Rage. Sie und nicht die eigentliche Hundebesitzerin war es, die den geduldeten Asylbewerber nach dessen Tritten gestoppt und zur Rede gestellt hatte. Im Verlauf des Gesprächs ereiferten sich beide so stark, dass es zu Beleidigungen und Handgreiflichkeiten kam.

In Panik greift eine Frau zum Pfefferspray

Als die 33-Jährige schließlich zum Pfefferspray griff und in Richtung des späteren Angeklagten sprühte, rastete dieser völlig aus und begann mit Steinen in Richtung der Frauen zu werfen. Diese Würfe waren nach Ansicht aller fünf Gassi-Geherinnen, die vor Gericht auftraten, wirklich gefährlich. „Es hat Panik hoch zehn geherrscht. Wir hatten wirklich alle furchbar Angst“, schilderte eine der Zeuginnen die Situation.

Diese Gefahrenlage, heraufbeschworen durch den Angeklagten, verkannte auch die Richterin nicht. Zugunsten des radfahrenden Asylbewerbers sprach für Dotzuer allerdings, dass nicht der Angeklagte die Konfrontation mit dem Hund gesucht hatte, sondern von diesem auf dem Rad verfolgt worden war. „Ich würde mich auf dem Fahrrad auch nicht gern von einem Hund angreifen lassen und sei er auch noch so klein“, gab Dotzauer zu bedenken.

Der Antrieb, das Verfahren einzustellen, hatte aber auch noch einen anderen Grund. Die Zeugin, die den Radfahrer gestoppt hatte, alarmierte nach dem Vorfall ihren Mann – einen kräftigen Türsteher. Der nahm die Verfolgung des Hundetreters auf und stellte ihn auf einem nahegelegenen Feldweg. Dann muss es zu Übergriffen seitens des kräftigen Türsteher gegen den schmächtigen Radler aus Bhutan gekommen sein. Im Krankenhaus wurden jedenfalls kurze Zeit nach dem Zusammentreffen beim Radler ein zerfetztes Trommelfell, blaue Flecken auf den Wangen und im Bereich des Kehlkopfs festgestellt. Nach dem für ihn günstigen Urteil überlegen sich der 40-Jährige und sein Anwalt, ob sie jetzt nicht den Türsteher wegen Körperverletzung anzeigen sollen.