Die Ausstellung in Köln spielt mit einem Tabubruch. Foto: Henning Kaiser/dpa

Kinder und Nacktheit - das wird unter dem Eindruck von Pädophilie-Skandalen auch in der Kunst immer schwieriger. Eine Ausstellung in Köln bricht jetzt bewusst mit dem Tabu.

Köln - Es ist ein merkwürdiges Kinderfoto, das Marcel Walldorf da aus dem Familienalbum gepflückt hat. „Es zeigt mich im Kindergarten“, erzählt der Frankfurter Künstler. „Da kam ein Fotograf, so was wie ein Talentscout, und der hatte diverse Stofftiere und auch Tierfelle bei sich. Er hat meine Mutter irgendwie überreden können, dass ich mich in diese Tierfelle wickle, und wie man sieht, bin ich auch nackt darunter.“ Walldorfs ironischer Kommentar zu dem Bild ist seine jetzt entstandene Installation: Ein Bügelbrett mit einem Pelzmantel und einem qualmenden Bügeleisen darauf.

Walldorfs Arbeit ist Teil einer kleinen, aber aufsehenerregenden Ausstellung in der Kölner Galerie „Gold + Beton“: Fünf junge Künstlerinnen und Künstler zeigen dort Werke, die auf Nacktfotos von ihnen als Kind basieren. Die Galerie befindet sich in einer Beton-Unterführung direkt unter dem derzeit bekanntesten sozialen Brennpunkt von Köln, dem Ebertplatz. Bei der Eröffnung am Mittwochabend muffelt es ziemlich in den niedrigen Räumen, aber der Stimmung tut das bei Sekt und Bier keinen Abbruch.

Gewöhnliche Schnappschüsse

Nural Moser aus London hat ein Foto ausgewählt, das in sozialen Netzwerken mit Sicherheit zensiert würde, dabei ist es im Grunde völlig unschuldig: Es zeigt sie als kleines Mädchen mit hochgezogenem Hemd - unbekleidet vom Bauchnabel bis zu den Zehenspitzen. Ein Schnappschuss ihrer Mutter, wie sie erklärt: „Es ist entstanden auf der Rückreise aus dem Urlaub. Morgens bin ich aus dem Auto raus - und es zeigt mich beim Pinkeln. Diesen Moment hat meine Mutter festgehalten, weil es etwas Freches hat.“

Hinter der Ausstellung steht das Künstlerkollektiv Frankfurter Hauptschule, das sich ein wenig auf Tabubrüche spezialisiert hat. Vor ein paar Tagen protestierte es noch gegen Frauenfeindlichkeit im Werk der deutschen Nationalikone Johann Wolfgang von Goethe. Jetzt geht es um die Freiheit der Kunst.

Zensoren gibt es überall

Wegen der Darstellung von Nacktheit seien auf Facebook unter anderem ein Bild der 30 000 Jahre alten „Venus von Willendorf“ und das 1866 entstandene Gemälde „Ursprung der Welt“ von Gustave Courbet - es zeigt eine Frau mit geöffneten Schenkeln - gelöscht worden. Facebook sei aber bei Weitem nicht der einzige Zensor: So erinnerte das Künstlerkollektiv daran, dass Bürger in Berlin vor fünf Jahren in einem offenen Brief die Entfernung des Caravaggio-Gemäldes „Amor als Sieger“ gefordert hatten, weil die Darstellung des nackten Jungen „zweifellos der Erregung des Betrachters“ diene.

„Uns ist aufgefallen, dass vermehrt eingefordert wird, eine gewisse Sittsamkeit in der Kunst walten zu lassen“, erläutert eine Sprecherin der Frankfurter Hauptschule - ihren Namen will sie wie alle Mitglieder des Kollektivs nicht nennen. „Dem wollten wir etwas entgegensetzen.“ Ein Kollege von ihr fühlt sich zunehmend an die Zeit der „Sittenpolizei“ erinnert: „Die Frage ist, ob man gerade aus dem Kontext der Kunst Sachen, die von Normen abweichen, verbannen will. Denn wo sollte man so etwas zeigen und diskutieren, wenn nicht in der Kunst?“