Der Gewa-Tower in Fellbach ist erst halb fertiggestellt. Die Arbeiten ruhen. Foto: Patricia Sigerist

35 Millionen Euro sind im Gewa-Tower in Fellbach bereits verbaut. Doch Investoren bieten nur Kaufpreise von 15 Millionen Euro oder weniger für das Gebäude an.

Fellbach - Über die Bedingungen, unter denen der Gewa-Tower schon in Kürze weitergebaut werden könnte, lüftet sich der Schleier. Den Anleihegläubigern liegen Briefe vor, in denen die beiden möglichen Investoren ihre Pläne und Voraussetzungen für den Weiterbau darstellen. Ihre Namen sind nicht genannt, aber ihre konkreten Vorstellungen: 15 Millionen Euro will er eine zahlen, um den im Rohbau stehenden, 107 Meter hohen Wohnturm zu übernehmen und fertig bauen zu können, 13,5 Millionen Euro bietet das zweite Schreiben an. Von den beiden Investoren verspricht der eine zehn Millionen Euro, der andere zwölf Millionen Euro über eine Zweckgesellschaft als Zwischenfinanzierungskredit zum Fertigbauen zu besorgen. Beide wollen möglichst schnell beginnen.

Ein Schuldenschnitt ist notwendig, um den Turm fertig bauen zu können

Die Bedingungen für die Anleihegläubiger sind hart: Schließlich sind für den Rohbau bereits etwa 35 Millionen Euro ausgegeben worden. Sie sollen also den insolventen Turm zum Schäppchenpreis von weniger als die Hälfte von dem, was er bisher gekostet hat, verwerten. Die gleiche Summe haben die Anleger, die die Projektanleihe der Gewa 5 to 1 GmbH und Co. KG gezeichnet hatten, auch zur Finanzierung eingebracht. Davon sollen sie nicht einmal die Hälfte zurückerhalten. Der nötige Schuldenschnitt ist im einen Angebot auf 20 Millionen Euro benannt, im zweiten auf 60 Prozent von 35 Millionen Euro. Beim einen Investor läge die Quote für die Anleger bei etwa 43 Prozent, beim anderen nahe bei 40 Prozent. Zudem soll der Kaufpreis noch gestundet werden. Auch auf die bisherigen, laut den Anleihebedingungen auf einem Treuhandkonto liegenden Zinszahlungen müssten die Anleger verzichten.

Anleihegläubigerversammlung ist terminiert

Worin sich die Absichtserklärungen unterscheiden, will Ilkin Bananyarli, der vorläufige Insolvenzverwalter, in der Anleihegläubigerversammlung am Dienstag, 25. April, 13 Uhr in der Schwabenlandhalle Fellbach erläutern, zu den die Besitzer von Anleihen schriftlich eingeladen wurden. Bananyarli bittet durch seinen Sprecher um Verständnis, dass er diesem Termin „in keiner Weise vorgreifen“ und daher keine Fragen beantworten will.

Schwer lässt sich daher ablesen, welcher Investor das günstigere Angebot gestellt hat und somit den Zuschlag für den weiteren Tower-Bau erhält, sofern die Anleihegläubiger überhaupt einen der beiden Vorschläge akzeptieren. Allerdings können sie nur dann mit einer Teilrückzahlung der Anleihe rechnen, wenn der Tower fertiggebaut wird. Er ist sonst praktisch wertlos.

Hoffnung auf Besserungsschein und Werterhöhungsklausel

Die Hoffnung auf einen späteren Nachschlag macht beide Übernahmeangebote etwas interessanter. Beide Investoren bieten den Gläubigern einen so genannten Besserungsschein an. Hans-Jürgen Friedrich, als Vorstandsmitglied der KFM Deutscher Mittelstand AG der Sprecher für den vermutlich größten Einzelgläubiger, den „Deutschen Mittelstandsanleihen-Fonds“, nennt diese Bereitschaft der Investoren auf Anfrage „konziliant“, entgegenkommend. So verspricht der eine Investor eine Werterhöhungsklausel und hofft, dass fünf Millionen Euro noch aus stillen Reserven gehoben werden könnten. Deutlich festgelegt hat sich der zweite Bewerber: Sollten die unverkauften 22 Exklusiv-Wohnungen die Preisvorstellungen erfüllen, also mehr als 7000 Euro pro Quadratmeter erzielen, solle der Mehrerlös hälftig geteilt werden. Dadurch könnte sich die Ausschüttung an die Anleger auf 17 Millionen Euro erhöhen.

Absage an Generalunternehmer und Hotelkäufer

Vor allem in der Einschätzung der Lage sind sich die beiden Investoren weitgehend einig. Sie lehnen es ab, mit dem bisherigen Generalunternehmer, der Baresel GmbH, weiter zu arbeiten. Deren Angebot zum Weiterbau bedeute „eine erhebliche Kostenausweitung. Insgesamt ist dem Unterzeichner der Eindruck entstanden, dass die Firma Baresel GmbH versucht, entgeltliche Vorteile zu ihren Gunsten zu vereinnahmen und nicht an einer schadensminimierenden Mitwirkung interessiert ist“, heißt es in beiden Absichtserklärungen fast wortgleich. Zum Innenausbau sollen Tower-Architekt Jörg Wolf und sein Büro statt der Baresel GmbH die gleichen Firmen wie bisher direkt beauftragen.

Eine Übernahme der Projektgesellschaft Gewa 5 to 1 als ganzes lehnen die Investoren wegen des Risikos von Schadenersatzansprüchen rundweg ab. Die Investoren setzen auch voraus, dass die Wohnungseigentümer keinen Schadenersatz geltend machen und versprechen dann, in unveränderte Verträge mit neuen Übergabezeitpunkten einzusteigen. Am Schuldenschnitt würden die Wohnungskäufer, die ihre Wohnung nicht beziehen können und daher schon am meisten durch den Zeitverzug leiden, nicht teilnehmen. Wenn der Turm fertiggestellt ist, stehen dem neuen Investor noch 11,4 Millionen Euro aus den Kaufpreisraten für Wohnungen zu. Deshalb steht der Gedanke im Raum, die verkauften Wohnungen zuerst fertigzustellen.

Der im Oktober erfolgte Verkauf des Hotels an eine private Gesellschaft soll dagegen möglichst rückabgewickelt werden. Weil der Käufer sich weigert, Kaufpreisraten je nach Fertigstellung zu zahlen und dies im Vertrag auch so bestimmt ist, wollen die Investoren kein Risiko eingehen.

Beide Absichtserklärungen enthalten noch viele weitere juristische Bedingungen. Die Übernahme kann noch scheitern.

Das Projekt des Gewa-Towers

Der Gewa-Tower mit 66 exklusiven Eigentumswohnungen auf 34 Etagen und das an seinem unteren Rand geplante Business-Hotel mit 123 Zimmern – es soll als „Tulip Inn“ betrieben werden – entsteht am östlichen Ortsrand in Fellbach bei Stuttgart in verkehrsgünstiger Lage. Das Gesamtprojekt sollte nach früheren Angaben 61,5 Millionen Euro kosten. Zur Finanzierung hat die Projektgesellschaft Gewa 5 to 1 GmbH und Co. KG eine Anleihe im Volumen von 35 Millionen Euro begeben. Sie ist seit dem 21. November 2016 im vorläufigen Insolvenzverfahren.