Der Berg ruft, die Kurve lockt: Auf den Straßen sind immer mehr Motorradfahrer unterwegs. Ihr Lärm löst zunehmend Beschwerden aus. Doch seit der Reform des Verkehrssünderregisters gibt es keine Punkte mehr dafür.
Freiburg - Der Krach ist schon von Weitem zu hören. Vor einer Kurve geben die Motorradfahrer noch einmal richtig Gas und machen Lärm. Hinter der Kurve steht die Polizei. Die Fahrt auf zwei Rädern ist erst einmal beendet. Im Streit um lärmende Motorräder setzt die Polizei auf verstärkte Kontrollen. Schwerpunkt ist unter anderem der Schwarzwald. Der Motorradlärm dort nervt Anwohner und Erholungssuchende. Und ist zum Politikum geworden.
„Die große Mehrheit ist vernünftig unterwegs. Sorgen bereitet uns eine kleine Gruppe, die Krach macht und so für Ärger sorgt“, sagt Pascal Basmaison. Der Polizeioberkommissar steht mit seinen Kollegen an einer Bergstraße im Schwarzwald und kontrolliert Motorradfahrer.
„Vor allem jetzt, am Anfang der Saison, hoffen wir auf einen erzieherischen Effekt. Unsere Kontrollen haben präventiven Charakter“, sagt er. Sie dienen der Verkehrssicherheit, Raser und Rowdys sind im Visier der Beamten. Zudem ist der Kampf gegen den Lärm ein Schwerpunkt. Motorräder, die Krach machen, führen in Erholungs- und Touristengebieten wie dem Schwarzwald zunehmend zu Streit.
Lange warten müssen die Polizisten nicht. Eine Gruppe Motorradfahrer aus dem Sauerland, die mehrere Tage im Schwarzwald unterwegs ist, rollt in die Kontrollstelle. Lärm macht die Gruppe allein schon deshalb, weil sie so groß und zügig unterwegs ist. Das typische Fahrgeräusch der schweren Maschinen dominiert die Umgebung. Doch ein Motorrad ist besonders laut. Der Fahrer hat am Auspuff herumgeschraubt und den dort serienmäßig eingebauten Schalldämpfer, den so genannten Dezibel-Killer oder auch dB-Eater, ausgebaut. Dafür braucht es nur einen Handgriff. „Ein Klassiker“, sagt Basmaison: „Das hört man sofort. Und es ist auch mit bloßem Auge zu erkennen.“
Stärkerer Sound ohne Filter
Manche Fahrer versprechen sich davon mehr Kick, Aufmerksamkeit und Status. Ohne Filter hat das Motorrad einen stärkeren Sound - ist aber auch zu laut. „Werden die gesetzlich festgelegten Lärmgrenzen überschritten, verliert das Motorrad automatisch die Betriebserlaubnis“, erklärt der Beamte. Die Folgen: 90 Euro Bußgeld. Und das Motorrad muss sofort zur Hauptuntersuchung, was den Besitzer Zeit und Geld kostet. Punkte, wie früher, gibt es für den Verstoß seit der Punktereform vom Mai 2014 aber nicht mehr. Kommen Biker aus dem Ausland, etwa aus der nahen Schweiz, werden 50 Euro fällig.
Frank Uhlmann und Thomas Krüger sind mit Bikern auf Augenhöhe. Die beiden Verkehrspolizisten fahren selbst Motorrad - beruflich und privat. „Das Problem hat zugenommen, weil es im Zubehörhandel ein deutlich größeres Angebot gibt als früher“, sagt Uhlmann: „Mancher tunt das Motorrad, um aufzufallen und sich von der Masse abzuheben.“ Und bekommt so Probleme. Uhlmann holt ein Mikrofon mit geeichtem Messgerät aus der Seitentasche seines Polizeimotorrades. Es misst am Auspuff eines Zweirads den Lärmpegel - und liefert in Sekundenschnelle Ergebnisse, die auch vor Gericht standhalten.
Bei ihren Kontrollen stoßen die Polizeibeamten in der Regel auf Verständnis, sagt Basmaison. Zudem gebe es immer wieder Anwohner oder etwa Wanderer, die sich bedanken. Sein Appell an die Biker: „Einfach runter vom Gas und Rücksicht nehmen.“ Dann drohten keine Konflikte. Zudem sollte an der Technik der Motorräder nichts verändert werden. Und auf Anbauteile aus dem Internet sollten Biker besser verzichten, auch im Sinne der eigenen Sicherheit.
Auch die Politik ist mit dem Problem befasst, sagt der Lärmschutzbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, der Grünen-Abgeordnete Thomas Marwein. Mit Displays an stark befahrenen Strecken sollen Biker auf einen zu lauten Fahrstil aufmerksam gemacht und zu einem leiseren Fahrverhalten animiert werden. Die Technik erkenne automatisch Motorräder mit überhöhter Lautstärke und zeige in diesem Fall gut sichtbar die Aufforderung „Leiser!“ an.
„Wir setzen auf Einsicht und Vernunft“, sagt Marwein. „Ohne gegenseitige Rücksichtnahme funktioniert es nicht.“ Straßen und Natur seien für alle da. Dies gelte auch in der Motorradsaison.