Die Mineralwasserhersteller arbeiten auf Hochtouren. Foto: FACTUM-WEISE

Im Hochsommer steigt der Absatz von Mineralwasser sprunghaft. Die Händler füllen ihre Lager und Verbraucher ihre Keller. Doch das hat Konsequenzen.

Stuttgart - „Bei über 25 Grad wird es spannend“, sagt Stefan Schurr, Vertriebsleiter beim Mineralwasserhersteller Ensinger in Vaihingen-Ensingen. Für den Rest des Monats rechnen die Meteorologen fast jeden Tag mit Temperaturen über dieser Marke. Erfreuliche Zeiten also für die Hersteller von Durstlöschern. Und Zeiten, in denen mit jedem Grad auch die Probleme der Branche zunehmen.

Nicht etwa, weil die Quellen versiegen würden. Doch wenn die Sonne heiß vom Himmel brennt, löst dies einen Hamstereffekt aus: Die Händler füllen ihre Lager, deren Kunden ihre Keller. Doch weil die vollen Flaschen gebunkert werden, fehlt es an Nachschub. Nicht bei der Flüssigkeit – wohl aber beim Leergut. Leere Flaschen sind in der Branche nie so gefragt wie an sehr heißen Tagen.

Wenn es gegen 30 Grad geht, wird es kritisch

„Der oder andere Hersteller hat Probleme mit der Lieferung“, lautet die Erfahrung von Franz Demattio, Geschäftsführer der Getränkehändler-Kooperation Gefako-Zentrale in Wendlingen, über diesen Sommer. „Die Leute stellen fünf Kisten in den Keller, und viel zu wenige bringen ihr Leergut zurück“, sagt Demattio.

Auch Gerhard Kaufmann, geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe Winkels in Sachsenheim, kennt die Probleme mit dem fehlenden Leergut. Bei der Gruppe mit ihren Mineralwässern Alwa, Bad Griesbacher, Rietenauer und Fontanis werden Überstunden gefahren. Dies aber nicht nur des wegen des Sommerwetters. Schon im Mai musste sich Winkels mit Problemen herumschlagen. „Vor der Urlaubszeit, etwa an Pfingsten, wird gekauft, dann gibt es wenig Leergut“, sagt Kaufmann, und wenn die Leute dann in den Urlaub fahren, „wird auch nichts zurückgegeben“. Dieses Pfingstphänomen dürfte sich nun in den Sommerferien wiederholen.

„Wenn es gegen 30 Grad geht, wird es ganz kritisch“, sagt Kaufmann. Die 1000 Mitarbeiter der Gruppe, die auch Speditionsaufgaben etwa für Brauereien übernimmt, machten „eine tollen Job“, lobt Kaufmann, „aber irgendwann sind die Grenzen der Belastbarkeit erreicht“. Vor dem Beginn der heißen Phase werden jedes Jahr 100 zusätzliche Beschäftigte eingestellt, gearbeitet wird bis zu 9,6 Stunden am Tag. An normalen Tagen liefern seine Lastwagen 250 000 Kisten aus, an Spitzentagen doppelt so viel. Sei es Bier, sei es Sprudel: „Die Kunden kaufen dann beim Händler eben vier statt nur zwei Kisten.“

Gearbeitet wird auch am Wochenende

Auch bei Romina in Reutlingen wird in der wärmeren Jahreszeit länger gearbeitet. Generell gibt es das Jahr über einen Drei-Schicht-Betrieb. Steigt die Sonne höher, müssen die Beschäftigten auch am Wochenende ran, um für die heißen Tage genügend Eiszeitquell auszuliefern. Der Durst der Kunden aber sorgt nicht nur für zusätzliche Arbeit, sondern auch für Zuschläge beim Lohn. Und außerdem gibt es ein Arbeitszeitkonto, das in der kühleren Jahreszeit wieder abgebaut werden kann.

Mineralwasser ist der Durstlöscher schlechthin“, erklärt Achim Jarck, Geschäftsführer des zur Franken-Brunnen-Gruppe im bayerischen Neustadt an der Aisch gehörenden Unternehmens. Jarck hat übrigens eine Erkenntnis gewonnen, die die Arbeit künftig noch schwieriger machen könnte: „Man kann nicht generell sagen, im Juni oder Juli ist es heiß“, erklärt der Romina-Geschäftsführer, „die Temperaturen schwanken immer stärker, das Wetter ist volatiler geworden.“

Doch das Wetter spielt seiner Ansicht nach zwar eine wichtige, aber nicht die allein entscheidende Rolle. „Es kommt auch darauf an, ob jemand Sport treibt, Rad fährt oder einen Ausflug macht“ – solche Aktivitäten sorgen mit dafür, dass gerade an Wochenenden die Nachfrage steigt. Um möglichst gut gewappnet zu sein, füllen die Hersteller von Mineralwasser die Lager bis unter die Decke – mit vollen Kisten, Mineralwasser hält sich lange, aber eben auch mit dem knappen Leergut.

Eigentlich, so meint Jarck, seien die Sprudelfirmen gar keine Hersteller: „Das Mineralwasser schenkt uns die Natur.“ Selbstverständlich ist es ihm „recht, wenn der Keller voller Eiszeitquell steht“. Doch man müsse eben auch bereit sein, zu den Händlern zu fahren und leere Kisten abzuholen. „Im Normalfall bringt der Händler Leergut zurück, wenn er volle Flaschen kauft“, berichtet Schurr, „doch wir kontaktieren auch Kunden, die längere Zeit nichts zurückgebracht haben, und bitten sie, das Leergut zurückzubringen.“ „Es gibt die eine oder andere Überstunde, aber wir sind lieferfähig“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Brauerei Alpirsbach, Carl Glauner. Die Situation, so räumt er ein, sei „angespannt“, es gebe „vertretbare Wartezeiten“. Doch mit guter Planung und ständigem Kontakt zu den Kunden könne man sich „auf saisonale Spitzen vorbereiten“.

Eine Produktion schon für die nächsten Monate wie etwa bei Sprudel „ist bei uns nicht möglich“, sagt Uli Zimmermann, der Chef der Bergbrauerei in Ehingen an der Donau. Der Gerstensaft soll frisch schmecken – weshalb es auch ein Mindesthaltbarkeitsdatum von nur vier Monaten gibt. Dass Kunden ihre leeren Kisten nicht zurückbringen, „dieses Thema kennen wir nicht“, meint Zimmermann. Doch dass der gute Absatz „zeitweise für einen Engpass beim Leergut sorgt“, räumt der oberschwäbische Brauer durchaus ein.

Auch Frachtraum und Fahrer sind knapp

Allerdings sind nicht nur leere Kisten knapp, es gibt auch einen weiteren Engpass: „Es klemmt beim Leergut, aber auch bei Frachtkapazitäten“, so Glauner. „Die Wirtschaft boomt, Frachtraum und Fahrer sind knapp“, ergänzt Winkels-Chef Kaufmann. Dazu kommt noch ein, vor allem bei den Brauern, hausgemachtes Problem: „Die zunehmende Gebindevielfalt“, wie Gefako-Geschäftsführer Demattio sagt. Immer mehr Brauereien wollen sich durch zusätzliche Sorten und individuelle Flaschen von der Bierkonkurrenz abheben. „Oft sind selbst die Bügel unterschiedlich.“ Konsequenz: Das Problem mit dem Leergut verschärft sich, weil nicht jeder alles zurücknehmen kann, zudem muss mehr sortiert werden. Für Kaufmann indes könnte gerade durch das Sortieren „ein neues Geschäftsfeld entstehen“. Und Demattio, der noch von Zeiten weiß, in denen es nur eine Halbliterflasche und eine Eindrittelliterflasche gab, richtet an Durstige einen dringenden Appell: „Die Leute sollen ihren Keller aufräumen und ihre Kisten zurückbringen.“