Ehemaliger Regierungspräsident Walter Lübcke Foto: AFP

Der Tod des getöteten Kasseler Regierungspräsident hat viele negative Kommentare aus der rechten Szene ausgelöst. Wegen seiner Flüchtlingspolitik erhielt Lübcke schon zu Lebzeiten Morddrohungen.

Kassel - Walter Lübcke war bereits im August vorigen Jahres 65 Jahre alt geworden und hätte eigentlich schon in Pension sein können. Doch der in Nordhessen sehr beliebte Kasseler Regierungspräsident ließ sich breitschlagen weiterzumachen. Erst im kommenden September sollte die somit verlängerte Amtszeit des ehemaligen CDU-Landtagsabgeordneten dann nach zehn Jahren wirklich enden. Doch diesen Tag erlebt Lübcke nicht mehr: Eine halbe Stunde nach Mitternacht wird der leitende Regierungsbeamte am vergangenen Sonntag mit einem Kopfschuss im Garten seines Hauses im Wolfhagener Stadtteil Istha aufgefunden. Alle Rettungsversuche schlagen fehl, noch in der Nacht wird der verheiratete Vater zweier erwachsener Söhne im Krankenhaus für tot erklärt.

Über Täter und Mordmotiv ist auch drei Tage später am Mittwoch noch nichts bekannt. Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, hüllen sich die zuständige Staatsanwaltschaft Kassel und die eigens zur Aufklärung der Tat eingesetzte 20-köpfige Sonderkommission von Polizei und Landeskriminalamt in Schweigen. Es gebe noch nichts Neues, heißt es auf Anfrage nur. Klar ist aber: Der ansonsten allseits geschätzte Regierungspräsident hatte auch Feinde. Schließlich hat sich der Christdemokrat auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs Mitte 2015 mannhaft für die Aufnahme der Schutzsuchenden eingesetzt. Lübcke nahm kein Blatt vor den Mund. Bei einer Bürgerversammlung im Oktober 2015 sagte er in Richtung auf ständige Zwischenrufer, wer christliche Werte wie Hilfe in der Not nicht teile, dem stehe jederzeit frei, das Land zu verlassen.

Steinmeier: Rechte Reaktion ist „widerwärtig“

Schon damals war Lübcke mit Mord bedroht und zeitweise unter Polizeischutz gestellt worden. In letzter Zeit war davon nichts mehr zu hören. Doch jetzt haben die Reaktionen von Rechtsextremisten auf den Tod des Regierungspräsidenten ein Ausmaß erreicht, das am Mittwoch selbst den Bundespräsidenten alarmierte. Wie sich manche in sozialen Netzwerken geradezu hermachten über Lübckes Tod sei „zynisch, geschmacklos, abscheulich, in jeder Hinsicht widerwärtig“, ruft Frank-Walter Steinmeier bei einer Veranstaltung des Deutschen Städtetags in Dortmund empört aus und fügt hinzu, darüber wünsche er sich mehr öffentliche Diskussionen.

Tatsächlich überschlugen sich derartige Beiträge in den sozialen Medien mit unverhohlener Freude über Lübckes Tod geradezu. „Mich freut es“, „selbst schuld“, „die ersten Politiker fallen“ und so weiter, heiß es auf YouTube, Twitter oder Facebook. Und unter dem Video mit seiner damaligen Rede auf der Bürgerversammlung wurde gepostet: „Eine widerliche Ratte weniger“ oder „Freut mich, dass er erschossen wurde“. Auch Äußerungen wie Merkel werde folgen oder man solle bei den „grünen Schwachmaten“ weitermachen, fehlen nicht. Der Sprecher der Kasseler Staatsanwaltschaft, Andreas Thön, bestätigt auf Anfrage dieser Zeitung, dass die Kommentare auf strafrechtliche Relevanz geprüft werden. Wie lange das dauern wird, kann er nicht sagen. Höchste Priorität habe natürlich die Aufklärung von Lübckes Tod.

Der wurde mit einer Kleinwaffe, vermutlich einer Pistole, erschossen. Da sie nicht bei ihm gefunden wurde, scheint klar, dass Lübcke Opfer eines Verbrechens wurde. Die Sonderkommission ermittelt nach wie vor in alle Richtungen. Hinweise darauf, dass sein Tod in Zusammenhang mit dem Hass nach den Äußerungen zum Flüchtlingszuzug steht, gibt es bislang nicht. Keinen Kommentar gibt Justizsprecher Thöne zur jüngsten Meldung von „Spiegel online“ ab, ein mit Lübcke bekannter Sanitäter habe nach dessen Tod Änderungen am Tatort vorgenommen, wohl um der Familie den Anblick der Blutspuren zu ersparen. Dass der Schuss auf den Beamten kein größeres Aufsehen erregte, könnte mit dem Lärm einer Kirmes in unmittelbarer Nähe zu Lübckes Haus zusammenhängen. Warum er sterben musste, bleibt vorerst weiter ein Rätsel.