Von 2015 an gibt es landesweit eine einheitliche Telefonnummer für den Arzt in Bereitschaft Foto: dpa

Wer nachts oder am Wochenende plötzlich einen Arzt braucht, weiß oft nicht, wo er anrufen muss. Das ändert sich 2015 grundlegend: Das DRK nimmt an zentralen Leitstellen alle Anrufe entgegen und alarmiert entweder den Notarzt oder den Bereitschaftsarzt.

Stuttgart - Mit der neuen Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) im Bereitschaftsdienst geht Baden-Württemberg für ganz Deutschland in die Vorreiterrolle: In keinem anderen Flächenland gibt es bisher ein für die Patienten ähnlich einfaches System. Eingeführt wird es am 1. April 2015. Zunächst gelten dann noch alle derzeit aktuellen Notrufnummern in den einzelnen Landkreisen. Neu ist aber, dass alle Anrufe zentral bei einer der Leitstellen des DRK landen. Speziell geschultes Personal entscheidet, nachdem der Anrufer seine Symptome geschildert hat, ob der Notarzt zum Einsatz kommt oder ein Bereitschaftsarzt.

Wer sich am Wochenende oder nachts nicht wohlfühlt, muss zunächst selbst feststellen, ob er in der Lage ist, eine der Notfallpraxen in der Umgebung aufzusuchen – 112 gibt es insgesamt im Land. Dort braucht er nicht einmal einen Termin, die Praxen – meist an den Kliniken – sind außerhalb der regulären Dienstzeiten geöffnet. Fühlt sich der Kranke nicht mobil, sondern benötigt einen Hausbesuch durch einen Arzt, greift das neue System. Voraussichtlich von Mai 2015 an gilt landesweit die einheitliche Bereitschaftsnummer 116 117. Wählt der Patient diese Ziffern, landet er bei der Leitstelle des DRK, das Notarzt oder Bereitschaftsarzt verständigt.

Johannes Fechner, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), und Lorenz Menz, Präsident des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg, haben diese Woche den neuen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Beide sind überzeugt davon, dass das Modell für akut Kranke und Notfallpatienten eine erhebliche Hilfe ist.

Notarzt kommt nur noch zum Einsatz, wenn er wirklich gebraucht wird

Ein riesiger Vorteil des Modells sei, dass der Notarzt nur noch dann zum Einsatz komme, wenn er wirklich gebraucht werde, so Johannes Fechner. Fehleinsätze würden vermieden. Wer seit Wochen Rückenprobleme habe und dann am Wochenende eine akute Schmerzattacke erleide, dem könne auch der Bereitschaftsarzt helfen. Dann bleibe dem „Blaulicht-Arzt“ Zeit für die wirklich lebensbedrohlichen Fälle. Der DRK-Landesverband Baden arbeitet bereits seit Jahren mit dem Kooperationsmodell, der Rahmenvertrag existiert seit zehn Jahren. Geschäftsführerin Birgit Wiloth-Sacherer weiß aus dem Ortenaukreis, dass von rund 55 000 Anrufen im vergangenen Jahr auf der Notruf-Nummer 112 rund ein Viertel an einen Bereitschaftsarzt weitergeleitet wurde.

Diese Zahlen seien in etwa repräsentativ für andere Kreise, sagt Johannes Fechner – und es würden auf diese Weise Kapazitäten bei den Notärzten frei. Hans Heinz, Geschäftsfährer des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg, verweist auf die gesetzlichen Hilfsfristen, die bisher vor allem in ländlichen Gebieten nicht eingehalten werden können. Mit dem neuen System werde das Ziel eher erreicht, weil die Notärzte in weniger Fälle eingebunden seien.

Das Rote Kreuz bildet für den Einsatz am Bereitschaftstelefon der Leitstellen Arzthelferinnen und Rettungsassistenten gezielt aus. „Wir müssen Leute dafür einstellen“, so Heinz. Sie sollen dann aber in der Lage sein, aus einem kurzen Gespräch mit den Anrufer zu erkennen, wie schwer der (Not-)Fall ist. Würden etwa die Symptome eines Schlaganfalls genannt, die vom Anrufer selbst aber nicht erkannt wurden, werde umgehend der Notarzt alarmiert. Die Leitstelle versucht außerdem, die Einsätze räumlich zu koordinieren, also zu vermeiden, dass Notarzt und Bereitschaftsarzt zwischen den Einsätzen unnötig Zickzack fahren.

Bis zur Unterzeichnung des Vertrags war es ein steiniger Weg. Allein beim DRK galt es, 34 unterschiedliche Kreisverbände unter einen Hut zu bringen. Die Kooperationspartner rechnen jährlich mit einer Million Anrufen auf der neuen Nummer 116 117. Zugrunde gelegt wurde, dass jeder zehnte Baden-Württemberger einmal im Jahr diese Nummer wählt. Um das neue System zu etablieren, müsse „ein mehrstelliger Millionenbetrag“ aufgewendet werden, so Johannes Fechner. Kritik übt er in diesem Zusammenhang an den privaten Krankenkassen, die an dem neuen Bündnis der KVBW mit dem DRK nicht teilnähmen. Natürlich würden auch Privatpatienten an der Leitstelle weitervermittelt. Sein Weihnachtswunsch sei aber, so Fechner, dass sich die Privaten auch finanziell an dem Konzept beteiligten.

Nach einer aktuellen Studie der Betriebskrankenkassen (BKK) fehlen Beschäftigte in Baden-Württemberg mit durchschnittlich 15,4 Tagen am seltensten krankheitsbedingt am Arbeitsplatz. Häufigste Krankheitsursache sind Muskel- und Skeletterkrankungen.