Der Heimat-Check verrät, wie die Stuttgarter die Gesundheitsversorgung bewerten. Foto: dpa/Sina Schuldt

Die Gesundheitsversorgung in Stuttgart wird laut unserer Umfrage Heimat-Check von Stuttgartern gut bewertet. Allerdings hängt das vom Stadtbezirk ab, in dem sie leben. Gibt es ein Versorgungsgefälle in der Stadt?

„Volle Wartezimmer in den Hausarztpraxen!“, „Lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin!“: Wer kennt diese Schlagzeilen nicht? Deshalb sind wir beim Heimat-Check unserer Zeitung, bei dem wir die Stuttgarterinnen und Stuttgarter aufgefordert haben, die Situation in ihren Stadtbezirken zu beurteilen, davon ausgegangen, dass das Thema Gesundheitsversorgung für hochemotionale Reaktionen und ein vergleichsweise schlechtes Ergebnis sorgen würde.

 

Nun ist der Heimat-Check nicht repräsentativ. Es handelt sich um ein Stimmungsbild, um die persönliche Wahrnehmung und Einschätzung jener Menschen also, die an der Umfrage teilgenommen haben. Aber betrachtet man die einzelnen Stadtbezirke sowie Stuttgart als Ganzes, dann kommt die Umfrage doch zu einem überraschenden Ergebnis.

Die Gesundheitsversorgung in Stuttgart landet auf Platz sieben

Denn beim Heimat-Check, bei dem wir 14 Einzelaspekte des städtischen Lebens beleuchtet haben, belegt die Gesundheitsversorgung den soliden Platz sieben. Insgesamt gaben die mehr als 10 000 Befragten auf einer Skala von 0 bis 10 dem Angebot an Arztpraxen, aber auch Reha-, Physio- und Pflegediensten den ordentlichen Durchschnittswert 6,10 – nur knapp hinter Sicherheit (6,18) und Seniorenfreundlichkeit (6,12) und noch deutlich vor dem Einzelhandel (5,82), dem kulturellen Angebot oder der Gastronomie.

Am besten abgeschnitten hat mit großem Abstand Degerloch mit einem Wert von 7,82. Weit vorne liegen auch Feuerbach – obwohl dort ein Leser einen Urologen und einen Hautarzt vermisst – , Stuttgart-West, Botnang, Stuttgart-Mitte und Sillenbuch. Und hätte es nicht in Hedelfingen, Mühlhausen und Stammheim Werte im 4-Komma-Bereich gegeben, wäre das Ergebnis noch besser ausgefallen.

Die Aufregung hält sich in Grenzen

Aber selbst in diesen vermeintlich schlecht versorgten Stadtteilen hält sich die Erregung in Grenzen. Am meisten Reaktionen kamen noch aus Mühlhausen: Der Ärztemangel dort zwinge viele Bürger, bis nach Cannstatt zu fahren, um einen Hausarzt zu finden. In Stammheim wiederum ärgern sich deutlich mehr Menschen über die dortige Krähenpopulation als über fehlende Hausärzte oder eine Praxis, die für gehbehinderte Menschen unerreichbar ist, weil es dort keinen Aufzug gibt.

Ein Grundproblem zieht sich indes durch viele Stadtbezirke: Die Suche nach Kinderärzten gestaltet sich für viele Eltern schwierig, weil viele Praxen keine weiteren Patienten aufnehmen. Immer wieder tauchen deshalb Klagen über das vermeintlich zu geringe Angebot an Kinderarztpraxen auf.

Für akute Fälle gibt es immer Termine in Stuttgart

Die Einschätzung der Gesamtsituation unserer Leser teilen auch Experten. „Aktuell gibt es in Stuttgart noch ausreichend Haus- und Fachärzte“, erklären übereinstimmend Mark Dominik Alscher, der Medizinische Direktor des Robert-Bosch-Krankenhauses, und Johannes Bauernfeind, der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg. Doris Reinhardt, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW), konstatiert zwar, dass bei Haus- wie auch Fachärzten die Wartezimmer voll seien und es deshalb zu längeren Wartezeiten kommen könne. Reinhardt: „Für akute Erkrankungen und dringend benötigte Beratungsanliegen stehen aber Termine zur Verfügung.“

Bei etwas konkreterer Nachfrage werden aber Unterschiede deutlich. Während die AOK von einer „aktuell sehr guten Versorgung“ der Stuttgarter mit Haus- und Fachärzten spricht, kann Mark Dominik Alscher diese Einschätzung nicht teilen: „Wir stellen fest, dass insbesondere in sozial schwachen Stadtgebieten die Versorgung mit Hausärzten zunehmend schwieriger wird.“ Teilweise müssten Praxen schließen, weil es keine Nachfolge gebe. Alscher: „Für die Patienten bedeutet das: Sie finden nach einem Krankenhausaufenthalt keine Anschlussbehandlung.“ Bei Fachärzten müssten Patienten oft mehrere Monate auf Untersuchungen warten. Allerdings räumt Alscher ein: „Im Vergleich zu anderen Landkreisen und Städten ist Stuttgart noch relativ gut versorgt.“

„Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den Stadtteilen“

Auch bei der Frage, ob es Unterschiede der Versorgung in den verschiedenen Stuttgarter Stadtbezirken gibt, gehen die Meinungen auseinander. Alscher: „Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den jeweiligen Stadtteilen. Die Beobachtung ist beispielsweise, dass in den nördlichen und östlichen Stadtteilen mit teilweise sozial schwachen Gegenden die primärärztliche Versorgung deutliche Lücken aufweist. Für niedergelassene Kolleginnen und Kollegen ist es zum Teil schwierig, ohne einen entsprechenden Privatpatientenanteil die Versorgung aufrechtzuerhalten.“

Johannes Bauernfeind sieht das etwas anders: „Innerhalb Stuttgarts und auch in den anderen Großstädten war eine gezielte Steuerung nach Stadtteilen in der Vergangenheit nicht erforderlich. Auch aktuell haben wir keine Daten und Hinweise, die auf ein ausgeprägtes lokales Versorgungsgefälle innerhalb der Landeshauptstadt hindeuten.“ Allerdings sagt Bauernfeind auch: „Ein Blickwinkel, der sich in der Bedarfsplanung allerdings überhaupt nicht abbildet, ist die unterschiedliche soziale Struktur. Hier gibt es Unterschiede in den Stadtteilen, die sicherlich von den Menschen in ihrem Erleben von Versorgung wahrgenommen werden.“