Daimler will seine Mitarbeiter mit Hilfe von neuen Montageanlagen entlasten Foto: Daimler

Daimler will mit neuen Montagemaschinen für Entlastung am Band sorgen. Denn das Durchschnittsalter der Belegschaft steigt – die Fitness der Mitarbeiter wird also zunehmend wichtiger. In einigen Werken des Autobauers gibt es bereits ergonomische Verbesserungen.

Stuttgart - Viele hundert Autos werden jeden Tag im Daimler-Werk Sindelfingen gebaut. Jedes Fahrzeug hat eine Mittelkonsole, die acht bis zehn Kilogramm wiegt und in die noch unfertige Karosserie gehoben werden muss. Auch am Unterboden oder in den Radkästen müssen Teile montiert werden. All das kann ein Mensch schaffen, auch wenn er sich dafür bücken oder krümmen muss.

Aber viele hundert Mal am Tag und das jahrein, jahraus – das ist selbst für die stärkste Wirbelsäule irgendwann zuviel. Und je älter die Belegschaft wird, desto wichtiger ist es für ein Unternehmen, seinen Beschäftigten Arbeitsplätze anzubieten, an denen man lange Jahre tätig sein kann – und die auch für diejenigen geeignet sind, die bereits gesundheitlich eingeschränkt sind.

Deshalb arbeitet Daimler schon länger daran, die Arbeitsplätze so zu gestalten, dass die Mitarbeiter sich nicht verschleißen. Hebeeinrichtungen sorgen dafür, dass sie keine schweren Lasten tragen müssen, Karosserien, die durch die Werkshalle schweben, können gedreht werden, so dass die Mitarbeiter nicht über Kopf arbeiten müssen, wenn sie am Unterboden arbeiten. Nun soll der Gesundheitsschutz der Beschäftigten Teil der Strategie werden.

Das Durchschnittsalter im Konzern steigt – und damit auch der Druck, körperlichen Beschwerden vorzubeugen

„Wir sehen eine Alterswelle auf uns zurollen“, sagt Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth. Der Gesundheitsschutz ist also vor allem ein Gegensteuern: „Wir wissen, dass das Durchschnittsalter im Konzern steigen wird und damit auch das Durchschnittsalter am Band.“ Bislang seien kaum über 60-jährige Beschäftigte am Band, dies werde sich in den nächsten Jahren aber ändern. „Deswegen müssen wir uns frühzeitig vorbereiten“, sagt Porth.

Denn mit dem demografischen Wandel und der alternden Belegschaft steige der Druck auf die Unternehmen, sagt die Tübinger Arbeitsmedizinerin Monika Rieger: „Die körperlichen Abnutzungserscheinungen und Beschwerden wachsen mit zunehmendem Alter.“ Dazu kommen monotone Arbeitsbedingungen – wie die am Band. „Unternehmen müssen verstärkt darüber nachdenken, wie sie die Beschäftigten möglichst lange halten können“, so Rieger – und das vor allem gesund.

Daimler will dafür nun verstärkt auf Montagemaschinen setzen: C-Gehänge oder Ergoskid heißen die Vorrichtungen, mit deren Hilfe Autokarossen angehoben und geschwenkt werden können. Ständiges Hochheben oder Bücken am Band soll damit künftig der Vergangenheit angehören. Solche Vorrichtungen sind in einigen Werken bereits vorhanden. Weitere Verbesserungen seien aber dringend notwendig, sagt Daimler-Gesamtbetriebsratchef Michael Brecht: „Es gibt noch immer viele Mitarbeiter, die gesundheitlich angeschlagen sind.“ Man sei zwar grundsätzlich auf einem guten Weg – viel zu tun bleibe aber nach wie vor. Einen ersten Schritt soll nun die am Dienstag vorgestellte Konzernstrategie darstellen: Diese sieht vor, Montagemaschinen und ergonomische Vorrichtungen vermehrt einzusetzen.

Die Autobranche ist Vorreiter in Sachen Gesundheitsschutz – immer mehr Unternehmen bieten Fitnessangebote

Zum Beispiel im Mercedes-Benz Werk in Sindelfingen: Bei der Produktionsplanung für die neue Generation der E-Klasse wurde speziell auf die Bedürfnisse älterer und einsatzeingeschränkter Mitarbeiter geachtet, heißt es vom Konzern. Generationenmanagement nennt Daimler das: Jede Lebensphase soll berücksichtigt werden. Immerhin: Mit der Planung konnte die Zahl der gesundheitsschonenden Arbeitsplätze in der Sindelfinger E-Klasse-Produktion scheinbar um ein Viertel erhöht werden.

„Die Automobilindustrie ist sicher Vorreiter im Hinblick auf gesundheitliche Prävention“, sagt Arbeitsmedizinerin Rieger. Insbesondere die Produktion werde in vielen Unternehmen bereits unter ergonomischen Gesichtspunkten geplant. „Wichtig ist aber nicht nur ein gut gestalteter Arbeitsplatz, sondern darüber hinaus auch gezielte Fitness am Arbeitsplatz.“ Ganz nach dem Motto: Ein starker Rücken kennt keinen Schmerz. Wichtig seien daher ein gezielter Muskelaufbau durch Fitnessübungen sowie eine regelmäßige Abwechslung der Bewegungsabläufe, sagt Rieger. Die Arbeit am Band muss so schlecht nicht: „Durch Stehen und Gehen statt Heben und Tragen kann man schon viel erreichen.“

Wer körperlich gestärkt ist, kann länger arbeiten und ist nicht so oft krank – das hat die Branche inzwischen erkannt. Immer mehr große Unternehmen bieten Fitnessangebote am Arbeitsplatz an, schicken ihre Mitarbeiter zum Betriebsarzt und setzen auf Aufklärung über gesunde Ernährung. Auch, dass die Arbeitsbedingungen am Band mithilfe von Montagemaschinen verbessert werden, ist nicht neu: Porsche setzt beispielsweise im Leipziger Werk Montagemaschinen ein, mit deren Hilfe Autokarosserien um bis zu 90 Grad gedreht werden können. Und in Stuttgart-Zuffenhausen lässt sich die Montagestation auf die Körpergröße der einzelnen Mitarbeiter einstellen. Auch BMW baut auf Ergonomie und Prävention: „Hohe ergonomische Standards und Hilfsmittel wie Roll-Hocker oder Schwenkmontagen machen die Arbeit für die Mitarbeiter so einfach und gesund wie möglich“, sagt ein Sprecher.