Atemwegsinfekte sind die häufigste Ursache für Krankschreibungen, 30 Prozent aller Fälle in Leonberg und Umgebung sind darauf zurückzuführen. Foto: IMAGO/Westend61

Arbeitnehmer aus Leonberg und Umgebung meldeten sich 2024 seltener krank als der Durchschnitt im Land. Am gesündesten leben Menschen in der Land- und Forstwirtschaft.

Die Menschen in Leonberg und Umgebung haben 2024 krankheitsbedingt deutlich seltener bei der Arbeit gefehlt als im Bundesdurchschnitt und auch weniger häufig als im Landesschnitt. Das geht aus einer Analyse der Krankenkasse AOK Stuttgart-Böblingen hervor, die exklusiv für unsere Zeitung die Daten von rund 35 000 Arbeitnehmern ausgewertet haben, die bei der AOK versichert sind und in den Kommunen des früheren Landkreises Leonberg leben.

 

Fehlten die Menschen in Baden-Württemberg krankheitsbedingt im Schnitt an sechs Prozent der Arbeitstage, so waren sie zwischen Weil der Stadt und Korntal-Münchingen nur an 5,7 Prozent der Arbeitstage krankgeschrieben. Bundesweit lag dieser Wert bei 6,5 Prozent. Der Krankenstand im früheren Kreis Leonberg ist damit gegenüber 2023 um 0,2 Prozentpunkte gestiegen. Etwa 46 Prozent der gesetzlich versicherten Arbeitnehmer in Stuttgart und dem Kreis Böblingen seien bei der AOK versichert, teilt die Krankenkasse mit. Der „AOK Gesundheitsbericht 2024“ hält darüber hinaus noch viele spannende Zahlen parat. Ein Überblick. Krankenstand: Erfasst sind in der Statistik nur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch einen Arzt. Mutterschutzzeiten und Kinder-Krankentage gehören nicht dazu. Im vergangenen Jahr meldeten sich 62,1 Prozent der im früheren Kreis Leonberg beschäftigten AOK-Mitglieder mindestens einmal krank. Das ist leicht unter dem Durchschnitt für Baden-Württemberg (63,4) und Deutschland (63,6). Das heißt im Umkehrschluss: 37,9 Prozent der Menschen in Leonberg und Umgebung waren keinen einzigen Tag krankgeschrieben – das ist mehr als jeder Dritte. 

Dauer: Krankschreibungen dauerten 2024 im Schnitt 9,8 Kalendertage. Hier schlagen aber Langzeiterkrankungen (43 Tage und mehr) deutlich zu Buche. Sie machen nur 2,6 Prozent aller Krankschreibungen aus, aber etwa ein Drittel aller Fehltage (34,7 Prozent). Mehr als ein Drittel aller Krankschreibungen dauert vier bis sieben Kalendertage, ein weiteres Drittel bis zu drei Tage.

Krankschreibungen dauerten 2024 im Schnitt 9,8 Kalendertage. Foto: IMAGO/Bihlmayerfotografie

Jahresverlauf: Ganz klassisch wurde der höchste Krankenstand im Frühjahr (Januar/Februar) sowie im Herbst (Oktober/November) registriert, wobei hier Februar mit 6,7 Prozent und Oktober mit 6,4 Prozent der Fälle besonders herausstechen. „Die Grippe- und Erkältungswelle ist im vergangenen Jahr schon im September losgerollt, viel früher als sonst“, hat Barbara Mergenthaler, stellvertretende Vorsitzende der Kreisärzteschaft Leonberg, beobachtet. Eine weitere Erklärung: „Nach Großveranstaltungen wie der Fasnet oder dem Wasen sehen wir häufig einen deutlichen Anstieg bei ansteckenden Krankheiten wie Grippe“, sagt die Allgemeinmedizinerin aus Renningen. Das sei auch die wahrscheinliche Erklärung für die ungewöhnliche Spitze beim Krankenstand im Juli 2024. Da hatte die Fußball-EM stattgefunden. Altersstruktur: Die meisten Krankentage sammelten 2024 die Arbeitnehmer zwischen 60 und 64 Jahren (Männer 10,3 Prozent, Frauen 9,1 Prozent). „Mit dem Alter nehmen einfach die chronischen und Langzeiterkrankungen wie Krebs zu“, erklärt Sarah Kilian, Koordinatorin für Prävention in Lebenswelten, die den AOK-Gesundheitsbericht zusammengestellt hat. Allerdings liegen in den beiden Altersstufen davor die Frauen vor den Männern. „Je älter die Menschen werden, desto mehr kommen auch die körperlichen Arbeiten zum Tragen“, fügt Medizinerin Mergenthaler hinzu.

Am seltensten krankgemeldet sind Männer zwischen 25 und 39 Jahren (4,1 und vier Prozent der Arbeitstage). Die Frauen in den gleichen Altersklassen weisen leicht höhere Krankentage auf. „Frauen nehmen häufiger Vorsorgeangebote wahr“, nennt Sara Kilian eine mögliche Erklärung. Dadurch fallen gesundheitliche Probleme früher auf.

Berufsgruppen: Interessantes zeigt sich bei der Branchenanalyse. So wies der Bereich Verkehr/Transport mit 7,1 Prozent den höchsten Krankenstand auf, den niedrigsten hatten Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft (2,8 Prozent). In beiden Branchen sind teils schwere körperliche Arbeiten zu verrichten. Beim Verkehr werde aber oft in Schichten gearbeitet. „Wenn in der Landwirtschaft etwas ansteht, dann muss das halt gemacht werden.

In der Landwirtschaftsbranche gibt es wenige Krankmeldungen. Foto: IMAGO/Christian Ohde

Das kann auch ein Grund für weniger Krankschreibungen sein“, sagt Kilian. Eine Krankschreibung dauert dann jedoch mit 12,9 Tagen im Schnitt sehr lange. Viele Fehltage wegen Krankheit gab es zudem in der öffentlichen Verwaltung/Sozialversicherung (7 Prozent) und im Gesundheits- und Sozialwesen (6,6 Prozent). Krankheiten: Im AOK-Bericht sind die sechs häufigsten Krankheitsarten einzeln aufgeführt. Ein Großteil der Krankschreibungen geht auf das Konto von Atemwegserkrankungen (30,8 Prozent). Dieser Wert stieg im Vergleich zu 2023 um einen Prozentpunkt an. „Hier spielt vermutlich eine Rolle, dass in vielen Praxen nicht mehr gesondert auf Covid19 getestet wird, was bisher als eigene Kategorie geführt wurde“, erklärt Sarah Kilian von der AOK.

Ein Siebtel aller Fälle sind Erkrankungen an Muskeln oder Skelett. Gemeinsam mit Krankschreibungen wegen Erkrankungen im Bereich der Verdauung sind diese drei Gruppen für 51 Prozent aller Krankheitsfälle und 40,5 Prozent aller Tage im Krankenstand verantwortlich.

Psychische Erkrankungen machen zwar nur 4,2 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle aus, allerdings 11,4 Prozent aller Krankenstandstage. Der Wert stieg gegenüber 2023 an (3,8 Prozent Fälle und 10,8 Prozent der Tage). „Psychische Erkrankungen machen eine Großteil der Langzeit-Krankschreibungen aus. Hier sehen wir großen Handlungsbedarf“, sagt Sarah Kilian von der AOK. Bedeutung: Gesundheitsberichte erstellt die AOK jährlich für alle Kreise in ganz Deutschland. „Krankheitsbedingte Arbeitsausfälle verursachen der Wirtschaft erhebliche Kosten. 2024 waren dies 221 Milliarden Euro für ganz Deutschland“, sagt Sven Busch, Geschäftsführer der AOK Bezirksdirektion Stuttgart-Böblingen. 2021 seien es noch 104 Milliarden Euro gewesen. „Es geht auch nicht nur um die Kosten, sondern auch um die sozialen und persönlichen Belastungen“, ergänzt er.

Mit Prävention und Früherkennung könnten sich viele Langzeiterkrankungen verhindern lassen. Die Analysen lieferten dafür eine wichtige Datengrundlage, um Angebote entsprechend anzupassen. So arbeitet die Krankenkasse in Leonberg und Umgebung mit 370 Betrieben im Bereich Gesundheitsmanagement zusammen. „Die Zahlen des Gesundheitsberichts sind im Altkreis Leonberg schön stabil. Die Gesundheit der Menschen ist ein wichtiger Faktor für die Unternehmen“, sagt der AOK-Bezirksgeschäftsführer. Alfred Bauser, der bei der AOK das betriebliche Gesundheitsmanagement leitet, nennt ein Beispiel. „Wir haben kürzlich in einem Betrieb EKG-Untersuchungen angeboten, in deren Folge mehrere Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig entdeckt worden“, berichtet er.

AOK-Analyse

Einzugsgebiet
Analysiert wurden Daten von etwa 35 000 Arbeitnehmern, die bei der AOK Baden-Württemberg versichert sind und in den Kommunen des früheren Landkreises Leonberg leben: Leonberg, Renningen, Weil der Stadt, Rutesheim, Weissach (Kreis Böblingen); Ditzingen, Gerlingen, Hemmingen, Korntal-Münchingen (Kreis Ludwigsburg; Friolzheim, Heimsheim, Mönsheim, Wimsheim (Enzkreis). Solche Analysen führt die AOK jährlich bundesweit durch.

Vergleich
Zentrale Kenngröße ist der Anteil der Krankenstandstage an der Gesamtzahl der Arbeitstage: Bundesdurchschnitt 6,5 Prozent. Niedrigste Werte Berlin 5,8 Prozent, Bayern 5,9, Baden-Württemberg und Hamburg 6,0. Höchste Werte: Sachsen-Anhalt 7,7 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen 7,5. Kreis: Altkreis Leonberg 5,7 Prozent, Böblingen 5,5, Ludwigsburg 6,1, Enzkreis 6,6.