Nur ein Drittel der Deutschen achtet darauf, mindestens 150 Minuten Sport pro Woche zu treiben – Übergewicht wird laut einer Studie zu einem immer größeren Problem Foto: Fotolia

Die meisten Menschen in Deutschland sind mit ihrer Gesundheit zufrieden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Wer wenig Geld besitzt, neigt nach einer Studie eher zu Erkrankungen.

Berlin - Das Resultat klingt auf den ersten Blick erfreulich. Drei Viertel der Bundesbürger fühlen sich fit. Sogar bei den Menschen über 70 Jahren schätzt mehr als die Hälfte die Gesundheit als gut oder sehr gut ein, so eine Studie des Robert Koch-Instituts (RKI). Gerade bei den älteren Menschen spricht RKI-Mitarbeiter Thomas Ziese von einer positiven Entwicklung seit 1998, als die Vorgängerstudie veröffentlicht wurde.

Dennoch machen die Ergebnisse nachdenklich: „Die Gesundheit hängt stark von der sozialen Stellung ab“, sagt Ziese. Menschen aus niedrigen sozialen Schichten haben häufiger gesundheitliche Probleme – von Bluthochdruck über Diabetes 2 bis hin zu psychischen Störungen. In der sogenannten DEGS-Studie (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland) befragten RKI-Mitarbeiter insgesamt 8152 Erwachsene ab 18 Jahren, wie gesund sie sich fühlen. Die meisten Teilnehmer wurden auch medizinisch untersucht. Die ersten Ergebnisse veröffentlichte das RKI am Montag.

Volkskrankheit Diabetes

Trotz des positiven Trends sind nicht alle Ergebnisse positiv. In Deutschland erkrankt ein Drittel mehr Menschen an Diabetes als vor zehn Jahren. Rund sieben Prozent der deutschen Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren sind von der Stoffwechselkrankheit betroffen. Vor allem ältere Menschen leiden darunter: 22 Prozent der 70 bis 79-Jährigen sind zuckerkrank.

„Wir waren überrascht, wie massiv die Zahl der an Diabetes Erkrankten angestiegen ist“, sagt Stefanie Gerlach, Leiterin Gesundheitspolitik bei der Deutschen Diabetes-Hilfe. Die Dunkelziffer bei dieser Erkrankung sei außerdem sehr hoch, im Schnitt vergingen zehn Jahre bis zur Diagnose – verlorene Zeit für die Vermeidung von Folgekrankheiten. Regelmäßige Gesundheitstests, Fragebogen-gestützte Bestimmung der Risikofaktoren und bei Verdacht gezielte Untersuchungen auf Diabetes würden helfen, die Krankheit schneller zu diagnostizieren. „Diabetes tut nicht weh. Im Anfangsstadium kann die Erkrankung symptomlos sein – oder Symptome, wie Müdigkeit sind zu unspezifisch und werden nicht richtig eingeordnet.“ Die Diabetes-Hilfe fordert daher eine nationale Diabetes-Strategie, um die Defizite bei Prävention, Früherkennung und Versorgung zu beheben.

Zu hoher Blutdruck

Ein knappes Drittel der Bundesbürger hat Bluthochdruck – entweder liegt der obere, systolische Wert über 140 oder der untere, diastolische über 90. Dieses Resultat gibt zu denken, denn Bluthochdruck steigert die Gefahr für viele medizinische Probleme deutlich, etwa für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Knapp drei Prozent aller 40 bis 79-Jährigen erleiden einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt bekommen knapp fünf Prozent. Damit ist der Herzinfarkt die Todesursache Nummer eins in Deutschland.

Ob der Blutdruck der Bundesbürger auch unabhängig von der Altersstruktur zugenommen hat, verrät die Studie bislang nicht. „Diese Berechnungen sind sehr komplex“, sagt Ziese. „Die Auswertungen laufen noch.“ Das gleiche gilt für psychische Erkrankungen wie etwa Depression. Hier ist zwar die Zahl der Diagnosen eindeutig gestiegen. Ob dies aber eine erhöhte Belastung der Menschen widerspiegelt, sollen weitere Analysen klären.

Fitness und Ernährung

Jede zweite Frau und zwei von drei Männern bringen zu viele Kilos auf die Waage. Fast jeder Vierte ist laut der Studie stark übergewichtig. Nur ein Drittel der Deutschen achtet darauf, sich ausreichend sportlich zu betätigen. Experten empfehlen, sich mindestens 150 Minuten in der Woche mäßig zu bewegen. „Unsere Gesellschaft macht es uns nicht leicht, sich zu bewegen und gesund zu ernähren“, sagt Gerlach. Rolltreppen und Aufzüge würden beispielsweise die Bewegung verhindern. Die Expertin hält auch eine einfache und verständliche Lebensmittelkennzeichnung für notwendig: „Gehalte an Zucker, Fett, Salz und Ballaststoffen sollten farblich auf der Packung gekennzeichnet sein. Grün heißt: gut, gelb ist okay in Maßen, rot bedeutet Achtung, selten essen.“

Rauchen und Alkohol

Bei jungen Erwachsenen ist das Rauchen und Trinken stark verbreitet. Jeder zweite Mann und jede dritte Frau von 18 bis 29 Jahren riskiere durch Alkoholkonsum die Gesundheit. In dieser Altersklasse ist auch das Rauchen am stärksten verbreitet. Insgesamt raucht nach der Studie jede vierte Frau und jeder dritte Mann. Die Wissenschaftler sehen hier weiteren Handlungsbedarf.

Armut macht krank

Erschreckend ist ein anderer Befund der Studie: Wie gesund sich jemand fühlt, hängt stark von der sozialen Schicht ab. Menschen mit weniger Einkommen sind anfälliger für fast alle Erkrankungen – von Diabetes und Bluthochdruck über Herzinfarkt und Schlaganfall bis zu psychischen Störungen. Menschen aus niedrigeren Einkommensschichten bringen auch eher zu viele Kilos auf die Waage. „Gesunde Lebensmittel sind häufig teurer als ungesunde“, sagt Gerlach. Ihrer Ansicht nach sollten die Konsumenten zu einem gesünderen Verhalten verführt werden. Kantinen und Schulen könnten beispielsweise eine Auswahl leckerer, gesunder Gerichte anbieten. „Politische Maßnahmen können dafür sorgen, dass es uns leichter fällt, uns gesund zu verhalten.“

Genau das ist ein Ziel der Studie. Der Bericht soll laut des Robert Koch Instituts alle Akteure im Gesundheitswesen erreichen – Bund, Länder und Kommunen ebenso wie Ärzte oder Krankenkassen.