Mit lustigen Plakaten warnt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vor Geschlechtskrankheiten. Foto: Plakataktion Liebesleben.de

Zwischen drei und vier Prozent der jungen Frauen in Deutschland sind mit Chlamydien infiziert, sagt der Mediziner Stephan Lautenschlager. Im Gespräch erklärt er, wie man sich vor der Geschlechtskrankheit schützen kann.

Stuttgart - Herr Lautenschlager, die Anzahl der Chlamydienfälle hat in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Woran liegt das?
Der Erreger ist sehr häufig – zwischen drei und vier Prozent der sexuell aktiven jungen Frauen sind infiziert. Das Problem ist, dass 70 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer keine Symptome haben. Trotzdem übertragen die Infizierten die Bakterien auf ihre Sexualpartner. Wir wissen aber nicht, ob die Infektion wirklich häufiger geworden ist in den letzten Jahren – heute wird viel öfter getestet, und mit der Einführung der PCR-Diagnostik können Chlamydien inzwischen besser nachgewiesen werden.
Gibt es Teile der Bevölkerung, die besonders gefährdet sind?
Chlamydien betreffen – anders als es bei HIV, Syphilis und Tripper der Fall ist – nicht die typischen Risikogruppen wie Homosexuelle, Drogenabhängige und Prostituierte. Die Infektion kommt in allen Bevölkerungsgruppen, vor allem aber bei jungen Frauen vor. Vor dem 25. Lebensjahr ist das Epithel des Muttermunds noch unreif, dann ist es sehr empfänglich für eine Infektion.
Sind Frauen grundsätzlich stärker gefährdet, sich anzustecken, als Männer?
Ja. Chlamydien sind sehr kleine Bakterien, die innerhalb menschlicher Zellen leben. In die Zellen der normalen, verhornten Haut können sie gar nicht erst eindringen. Sie infizieren nur die Schleimhäute. Für eine Infektion müssen sich Schleimhäute berühren. Beim heterosexuellen Verkehr muss also die Vagina beziehungsweise der Muttermund Kontakt mit der Harnröhrenöffnung des Mannes oder Sekret daraus haben. Die Fläche, die beim Mann dem Infektionsrisiko ausgesetzt ist, ist dagegen sehr klein, denn die Eichel ist schon nicht mehr empfänglich für den Erreger. Bei der Frau ist dagegen die Schleimhautfläche, die potenziell infiziert werden kann, viel größer: Sie hat daher das größere Risiko, sich anzustecken.
Schützen Kondome?
Richtig angewendet schützen Kondome sehr effektiv gegen Chlamydien.
Jedes Kondom hat ein offenes Ende . . .
Die HPV-Infektion und die Syphilis beispielsweise sind tatsächlich auch bei geschütztem Verkehr übertragbar, wenn Haut auf Haut an der nicht bedeckten Stelle aufeinander reibt. Bei den Chlamydien ist das anders – da geschieht die Übertragung in der Regel durch ungeschützte Penetration.
Kann man sich durch Oralverkehr anstecken?
Die Möglichkeit gibt es. Aber es gibt dazu sehr wenige Zahlen. Chlamydien werden normalerweise durch ungeschützten Geschlechts- oder Analverkehr übertragen.
Wie äußert sich eine orale Ansteckung?
Chlamydien können im Rachen eine meist symptomlose Infektion verursachen.
Heißt das, ein Mensch, der im Rachen infiziert ist, kann einen anderen anstecken – vielleicht sogar durch Küssen auf den Mund?
Ich habe noch nie von einer Infektion durch Küssen auf den Mund gehört. Aber eine Prostituierte mit Chlamydien im Rachenraum, die bei einem Freier Oralsex ohne Kondom praktiziert, kann diesen anstecken.
Kann umgekehrt ein infizierter Mann beim Oralsex eine Frau anstecken?
Kaum, weil die Chlamydien im Rachenraum sind, also zu weit hinten, als dass sie beim Oralverkehr mit der Schleimhaut der Frau in Berührung kommen könnten. Das ist ein Ansteckungsweg, der mir in der Praxis nie begegnet ist. Im Gegensatz zur Syphilis.