Auf dem Land herrscht Ärztemangel Foto: dpa

Mäßige Honorare, übermäßige Belastung: Kassenärzte wollen Medizinermangel beheben.

Stuttgart - Mäßige Honorare, übermäßige Arbeitsbelastung: Das sind nur zwei von vielen Ursachen für den Ärztemangel. Die Kassenärztliche Vereinigung will das Problem deshalb mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen angehen - darunter auch unkonventionelle.

Medizinische Zentren, an denen Ärzte verschiedener Fachrichtung angestellt sind, können nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) den zunehmenden Medizinermangel mildern. Die Interessensvertretung von 19.000 niedergelassenen Ärzten im Land will die Gründung einiger solcher Zentren jetzt selbst in die Hand nehmen.

"Die Vorteile liegen auf der Hand", sagte KVBW-Chef Norbert Metke, "der Arzt muss nicht mehr die alleinige finanzielle Verantwortung für die Praxis übernehmen, er kann sie mit anderen teilen."

Die Ärztevertreter wollen solche Einrichtungen, die sie Regiopraxis nennen, allerdings nur anstoßen. Im Prinzip sollen sie von Hausärzten übernommen werden, die weitere Mediziner und Psychotherapeuten in Teilzeit bei sich anstellen. Im kommenden Jahr sollen zwei solcher Einrichtungen in Regionen mit großem Ärztemangel starten. Metke: "Wir schauen gerade, ob Kollegen dazu bereit sind."

Um den negativen Trend zu brechen, hält die KVBW aber ein ganzes Maßnahmenbündel für nötig. Auch die Arbeitsbedingungen, die Bezahlung sowie die Rahmenbedingungen müssten besser werden, um jungen Ärzten eine Praxis schmackhaft zu machen. "Es will nicht mehr jeder täglich zwölf bis 14 Stunden arbeiten", begründete Metke das Abwandern von Medizinern in die Industrie oder ins Ausland.

Mit dem Schulbus zum Arzt

Das Einkommen müsse auch besser sein als in einer Klinik, meint KVBW-Vize Johannes Fechner. Das lässt sich seiner Ansicht nach nur erreichen, wenn die Kassen, aber auch die Kommunen den Ärzten entgegenkommen. Die Gemeinden könnten zum Beispiel preiswerte Immobilien zur Verfügung stellen und dafür sorgen, dass die Kinderbetreuung für Arztfamilien funktioniert: "Die sind ein wichtiger Standortfaktor."

Auch die sogenannte Residenzpflicht - Ärzte müssen dort wohnen, wo sie praktizieren - hält der Vorstand für überholt. Metke: "Wenn wir das aufheben würden, könnten die Mediziner in der Stadt wohnen und in ihre Praxis auf dem Land pendeln." Um die Patienten zu den Ärzten zu bringen, könnten die Kreise den Transport mittels Schulbussen organisieren. Metke sprach von einem "Doc-Shuttle".

Ob auch eine veränderte Bedarfsplanung die Versorgung verbessert, halten die Verbandsvertreter allerdings für fraglich. Zwar sei es richtig, so Metke, die Neuzulassungen für Praxen in kleineren Rastern zu planen. Oft konzentrierten sich die Ärzte in den Kreisstädten, während sie im ländlichen Raum drum herum fehlten. Doch er wandte ein: "Sie können die Bedarfsplanung hausblockweise machen - wir haben die Doktoren gar nicht, die dort hingehen könnten."

Wenn man nicht gegensteuert, entwickelt sich der Ärztemangel nach Ansicht der KVBW zu einer ernsten Gefahr. "Wir gehen heute davon aus, dass in den kommenden 15 Jahren etwa 60 Prozent aller Ärzte ihre Praxis übergeben", sagte Metke. Das Problem stelle sich nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Großstadt. In Stuttgart zum Beispiel könnten bereits 15 Plätze für Allgemeinärzte nicht mehr besetzt werden.

In Teilen der Landespolitik ernteten die Ärztevertreter eine positive Resonanz. "Wir brauchen eine Alternative zum Einzelkämpfertum des niedergelassenen Arztes", sagte SPD-Fraktionsvize Katrin Altpeter. Auch der FDP-Abgeordnete Ulrich Noll nannte die Regio-Praxis einen "wichtigen Baustein zur Sicherung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum".