Low Carb, Low Fat, High Fat, Trennkost, Detox, Intervallfasten, Gen-Diät – Welche Diät funktioniert wirklich? Die Antwort der Ernährungsexperten ist erstaunlich einfach.
Stuttgart - So wie die Zahl der Übergewichtigen scheint auch die Zahl der Diätratgeber ständig zu wachsen. Low Carb, Low Fat, High Fat, Trennkost, Detox, Intervallfasten, Gen-Diät – noch nie konnte man zwischen so vielen Ernährungsrichtungen wählen. Doch welche Diäten bringen wirklich etwas? Diese Frage stellen sich viele Menschen, die abnehmen oder einfach nur ihr Gewicht halten wollen.
Die Antwort ist überraschend einfach: Viele Diäten können beim Abnehmen helfen – auch wenn ihre Verfechter ganz unterschiedliche Wirkmechanismen ins Feld führen. So zielen die weit verbreiteten Low-Carb-Diäten darauf ab, durch eine geringere Kohlenhydrataufnahme den Blutzuckerspiegel zu senken und die Insulinausschüttung zu bremsen. Der niedrigere Insulinspiegel soll dazu führen, dass Körperfett abgebaut wird. Low-Fat-Diäten beruhen dagegen auf der Überlegung, dass sich durch eine geringere Fettaufnahme die Energiezufuhr besonders effizient drosseln lässt. Denn ein Gramm Fett enthält mehr als 2,2 mal so viele Kalorien wie ein Gramm Kohlenhydrate oder Eiweiß.
Und welche Variante wirkt nun besser – Low Carb oder Low Fat? „Keine. Beides funktioniert“, sagt Verena Frick. Die Ernährungsberaterin vom Klinikum Stuttgart verweist auf eine groß angelegte Studie neueren Datums, in der mehr als 600 Teilnehmer jeweils eine der beiden Diäten befolgten. Nach einem Jahr hatten Probanden mit fettarmer Diät 5,3 Kilo und mit kohlenhydratarmer Diät 6,0 Kilo abgenommen. „Das ist kein statistisch signifikanter Unterschied“, so Frick am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der VHS Stuttgart aus der Reihe „Gesundheit beginnt im Kopf“.
Ab und zu ein Mammut – und dann lange nichts
Frick folgert, „dass es sinnvoll ist, sowohl die Aufnahme von Fett als auch von Kohlehydraten zu normalisieren“. Eine einseitige radikale Absenkung sieht sie kritisch: „Extreme Diäten können über längere Zeiträume zu Mangelerscheinungen führen.“ So lande man am Ende wieder bei der gesunden Mischkost, bemerkt Ralf Lobmann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie am Klinikum Stuttgart. Auch er hält nicht viel von dauerhaften Low-Fat- oder Low-Carb-Diäten. Entscheidend sei am Ende, dass dem Körper nicht mehr Energie zugeführt wird als er verbraucht. „Vom Stoffwechsel her steht der Mensch noch auf der Ebene des Neandertalers“, sagt Lobmann. Der erlegte ab und zu ein Mammut und in der Zeit dazwischen war Nahrung eher knapp. Heute steht dagegen den meisten Menschen laufend energiereiche Nahrung zur Verfügung.
Doch vom akribischen Kalorienzählen halten beide Experten nicht viel. Zur Orientierung seien Mengenangaben wie „zwei Hände voll Nudeln“ vollkommen ausreichend. Wichtig sei, in welcher Form die Kalorien vorliegen. Lobmann: „Zehn Gramm Kohlenhydrate in Form von Obst oder Brot wirken ganz anders als zehn Gramm Zucker in einem Softdrink.“ Im ersten Fall steige der Blutzuckerspiegel langsamer an, weil neben dem Zucker auch Ballaststoffe und nicht so schnell verfügbare Kohlenhydrate aufgenommen werden, erläutert der Mediziner. Fruchtsäfte oder Apfelschorle seien in dieser Hinsicht kaum besser als Cola & Co. „Essen sie lieber einen Apfel und trinken klares Wasser dazu“, empfiehlt Lobmann. Auch Getränke, die mit Zuckeraustauschstoffen oder Stevia gesüßt sind, sieht er kritisch. Durch den Süßreiz werde ebenfalls Insulin ausgeschüttet, was schneller wieder zu einem Hungergefühl führe.
Gute Fette, böse Fette
Auch bei den Fetten kommt es darauf an, in welcher Form sie dem Körper zugeführt werden. So gelte ein hoher Konsum an tierischen Fetten, die vielfach einen hohen Anteil gesättigter Fettsäuren enthalten, nach wie vor als problematisch, sagt Frick. In Pflanzenölen finden sich dagegen in der Regel mehr ungesättigte Fettsäuren, die helfen könnten, den Cholesterinspiegel zu nivellieren. Studien deuten laut Lobmann darauf hin, dass Menschen mit weniger „bösem“ LDL-Cholesterin im Blut seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden.
Bei der dritten großen Nährstoffgruppe, den Eiweißen, sei es wichtig, auch während einer Diät auf eine ausreichende Zufuhr zu achten. „Sonst fängt der Körper an, Muskeleiweiß abzubauen“, so Frick. Eiweißreiche Lebensmittel wie Fisch hätten auch den Vorteil, dass sie relativ lange satt machten.
Doch warum können manche essen was sie wollen ohne zuzunehmen, während bei anderen alles gleich anschlägt? Neben Genen, Alter, Essverhalten und Bewegung spiele hier die Darmflora eine wichtige Rolle. „Man findet bei Normal- und Übergewichtigen unterschiedliche Bakterien im Darm“, sagt Lobmann. Er berichtet von einem Experiment, in dem der Kot übergewichtiger Mäuse an normalgewichtige Tiere verfüttert wurde – die dann ebenfalls zunahmen.
Beschäftigung mit Ernährung hilft
Für die Trennkost-Diät spreche aus medizinischer Sicht wenig, so die Experten. Dass sie bisweilen doch zum Gewichtsverlust führt, sei eher der Tatsache zu verdanken, „dass man sich genauer mit der eigenen Ernährung und dem Gewicht beschäftigt“. Auch Intervallfasten funktioniere vor allem deshalb, weil man dadurch insgesamt weniger Nahrung zu sich nehme, meint Frick.
Der Ernährungsexperte Lobmann rät generell, sich realistische Ziele zu setzen: „In einem Jahr fünf Kilo abzunehmen ist nachhaltiger als eine Crash-Diät, nach der man oft wieder zunimmt“. Ohne etwas Disziplin gehe es aber nicht. „Der Kampf um die Pfunde währt das ganze Leben“.
Moderator Suso Lederle erinnert daran, dass sich das Wort „Diät“ in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht nur auf die Ernährung bezog, sondern auf den gesamten Lebensstil. „Dazu gehört auch ausreichend Bewegung“, so der Stuttgarter Internist. Bei allem sollte man auch nicht vergessen, „dass Essen etwas sehr schönes ist“.