Mitbringsel sind bei Krankenhausbesuchern immer eine nette Geste. Wie man auch noch die richtige Worte findet, erlärt ein Experte Foto: fotolia

Wer einen schwer kranken Menschen besucht, dem fehlen oft die Worte. Wie man lernen kann, die richtigen Themen zu finden, erklärt der Klinikseelsorger Wolfgang Raible vom Marienhospital Stuttgart.

Stuttgart - Herr Raible, wenn einem die Botschaft „Ich habe Krebs“ überbracht wird, fehlen einem die Worte. Wie findet man diese wieder?
So eine Nachricht ist schlimm und schockierend. Da gibt es kein Rezept, das einem zeigt, wie man sich richtig verhält. Ich denke, das wird von den Betroffenen in der Situation auch gar nicht erwartet. Die eigene Sprachlosigkeit darf man daher ruhig ansprechen. Dann, wenn der erste Schock überstanden ist, sollte man stets offen für den anderen sein. Wer aufmerksam ist, merkt schnell, über welche Themen der andere sprechen möchte und über welche nicht. Verschließt sich die Freundin oder ist sie emotional zu überwältigt, kann es auch helfen, einfach da zu sein und das Mitgefühl ohne Worte spüren zu lassen.
Viele sind überfordert, wenn ein Mensch, der ihnen nahesteht, schwer krank wird. Sie kommen lieber gar nicht zu Besuch, weil sie nicht wissen, worüber sie mit dem Kranken sprechen sollen. Was raten Sie?
Meistens lassen die Patienten erkennen, worüber sie sprechen möchten. Oft genügt es, einfach zuzuhören wenn sie über ihre Krankheit und ihre Erfahrungen im Krankenhaus erzählen möchten. Wichtig ist: Seien Sie natürlich! Reden Sie über das, worüber sie auch sonst geredet hätten – Episoden aus dem Arbeitsleben oder von der Familie.
Aber klingt das nicht oft banal – im Vergleich zu dem, was der Kranke durchmachen muss?
Das muss nicht sein. Ich habe oft erlebt, dass Patienten es geradezu erholsam finden, wenn man ihnen Alltägliches erzählt und sich nicht alle Gespräche nur um ihre Krankheit drehen. Mit dieser werden sie ja sonst immer konfrontiert.
Gleichzeitig kann aber auch ungewollt ein gewisses Neidgefühl entstehen: Du bist gesund und hast ein normales Leben, und ich liege hier und bin krank. Wie geht man mit dieser Situation um?
Dafür muss man ein Gespür entwickeln. Wenn man merkt, dass der andere traurig wird, wenn man vom Familienleben oder Ausflügen erzählt, sollte man mit vorsichtigen Fragen herausfinden, über welche Dinge man lieber sprechen sollte. Das kann natürlich auch schwierige Themen berühren – beispielsweise das Sterben. Sehr viele Patienten haben den Wunsch, über den Tod zu sprechen und das eigene Leben zu Ende zu denken. Dazu sind manchmal auch die Angehörigen noch gar nicht bereit.
Oft kommt dann die Frage nach dem Warum. Wie beantworten Sie als Seelsorger diese Frage?
Die kann ich nicht beantworten. Und das sage ich dann auch offen. Manchmal ist diese Suche nach einer Antwort aber auch gut: Es gibt Patienten, die dabei einen Weg finden, das Geschehene besser zu begreifen oder mit der Krankheit besser umzugehen. Ich erlebe aber auch andere, bei denen die Verzweiflung sehr emotional herausbricht. Da hilft es dann, wenn ich einfach nur dasitze und die Hand halte. Das vermittelt den Betroffenen das Gefühl, es ist jemand da, der mit ihnen diese Trauer aushält. Und manchmal kann dieses stille Begleiten in ein Gebet oder in einen Psalm einmünden.
Werden Sie auch manchmal abgelehnt von Patienten?
Ja, das kann passieren. Dann akzeptiere ich das auch. Meist ist es aber so, dass die Patienten es gut finden, wenn man unangekündigt nach ihnen sieht.
Wie sieht denn die optimale Besuchszeit aus?
Auch da gibt es keine Regeln. Manchmal kann es nötig sein, eine Stunde zu bleiben oder sogar länger. Diese Besuche sollten natürlich den Patienten nicht ermüden. Es kann aber schon ausreichen, nur schnell nach der Arbeit vorbeizuschauen. Wenn der Patient weiß und mitbekommt, da ist jemand für mich da und denkt an mich, dann ist damit schon viel gewonnen.
Wie verhält man sich, wenn ein Kollege schwer krank wird? Im Berufsleben hat man nicht viel miteinander zu tun. Man kennt sich vom Sehen, grüßt sich auf dem Gang . Dennoch möchte man sein Mitgefühl ausdrücken.
Es würde doch komisch wirken, wenn man sonst wenig miteinander zu tun hatte und nun plötzlich am Krankenbett stünde. Besser ist es, einen Kollegen zu fragen, der dem Kranken näher steht, um herauszufinden, ob Besuche überhaupt erwünscht sind. Ansonsten ist eine Karte immer gut, in der man schreibt, dass man in der Firma an ihn denkt.

Der Seelsorger des Stuttgarter Marienhospitals, Wolfgang Raible, gibt diesen Mittwoch, 12. August, per Telefon Tipps, wie Sterbende oder kranke Menschen zu trösten sind. Die telefonische Sprechzeit ist von 14 bis 15.30 Uhr, Tel. 07 11 / 64 89 20 56.