Mit Video - Das Bundesarbeitsministerium will mit einer novellierten Vorschrift die öffentliche Nutzung von Paternostern faktisch verbieten. Die Stadtverwaltung stellt sich auf einen zähen Kampf zur Rettung der beliebten Aufzüge ein.

Stuttgart - Es ist nur ein Satz in der neuen Betriebssicherheitsverordnung aus dem Haus von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die zum 1. Juni das Aus für alle drei Paternoster im Stuttgarter Rathaus bedeutet: „Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Personenumlaufaufzüge nur von durch ihn eingewiesenen Beschäftigten verwendet werden“, heißt es im Anhang 1 unter Punkt 4.4. Vier Minister und der Bundesrat haben der Verordnung zugestimmt.

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Die Pressestelle im Arbeitsministerium begründete den Passus am Mittwoch so: „Die Nutzung von Paternoster haben zu mehreren – auch tödlichen Verletzungen geführt.“ Die genaue Anzahl sei nicht bekannt, dazu solle man sich an die zuständigen Behörden der Länder wenden, so das Ministerium. Die Nutzung solle jedenfalls auf geschulte Mitarbeiter begrenzt werden. Ein generelles Betriebsverbot gebe es nicht.

"Mir sind keine Unfälle bekannt"

Der Stuttgarter Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) sieht die Aufzüge ohne Türen als sicher an. „Mir sind keine Unfälle bekannt“, sagt er. Außerdem fänden sich Verbotstafeln für Gebrechliche, Kinder und die Nutzung als Lastenaufzug.

Was an Aufklärung noch fehle, sei allenfalls ein kleines Schild, das den Nothalteknopf auf den jeweiligen Stockwerken erkläre. Erstbenutzer stoppen mit ihm öfter die Kabinen im Glauben, sie auch wieder mit einem Knopfdruck in Gang setzen zu können. Dazu braucht es dann aber den Hausmeister.

Wölfle will eine Ausnahmegenehmigung für den weiteren öffentlichen Betrieb beim Land beantragen. Vollzug und Erteilung von Ausnahmegenehmigungen obliege „den zuständigen Behörden der Bundesländer“, heißt es in Berlin.

Am Mittwoch war allerdings noch unklar, welches Ministerium sich den Schuh anzieht. Man kümmere sich nur um die eigenen Liegenschaften und 8000 Häuser, hieß es im Stuttgarter Finanzministerium, zuständig sei das Verkehrsministerium. Man wolle sich kundig machen, hieß es dort. „Wir sind da abhängig vom Land“, sagt Wölfle.

Kuhn will mit anderen Städten um eine Entschärfung der Vorschrift kämpfen

Der Tüv, mit dem kurzfristig eine Besprechung angesetzt ist, solle Ideen bringen, wie die Sicherheit vielleicht noch erhöht werden könne, sagt Wölfle. Außerdem will der Bürgermeister gemeinsam mit anderen Städten in Berlin um eine Entschärfung der Vorschrift kämpfen. Mit den Verwaltungen in Berlin und München gibt es Kontakt. Der Städtetag kannte das Problem bis Mittwoch nicht. „Wenn das an uns herangetragen wird, werden wir es prüfen“, sagte ein Sprecher.

Rückendeckung hat Wölfle von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Der Paternoster sei „für viele der täglichen Besucher, aber auch für offizielle Gäste ein Anziehungspunkt. Wir versuchen alles, was möglich ist, damit er auch in Zukunft öffentlich nutzbar bleibt“, sagte Kuhn.

Im Rathaus erinnert man sich, dass vor mehr als zwanzig Jahren schon einmal das Totenglöcklein für die Umlaufaufzüge geläutet worden war. Die EU wollte die Paternoster damals stoppen, letztlich wurde aber ein Bestandsschutz erreicht, neue Anlagen kamen nicht mehr dazu. Nun schlägt nicht in Brüssel, sondern in Berlin erneut die Glocke.