Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat sich durchgesetzt. Aber ist sie damit auch ihren Zielen nähergekommen? Zweifel sind angebracht. Foto: dpa

Gegen gleiche Löhne für gleiche Arbeit von Männern und Frauen kann niemand ernsthaft etwas einwenden. Doch das Gesetz, das nun v0m Bundeskabinett verabschiedet wurde, setzt nicht an den Ursachen an und weckt deshalb falsche Erwartungen, kommentiert Klaus Köster.

Stuttgart - Hat Manuela Schwesig nicht recht? Frauen verdienten im Durchschnitt 21 Prozent weniger als Männer, sagte die Bundesfamilienministerin, nachdem sie ihr Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen durchs Kabinett gebracht hatte. Die Gleichberechtigung müsse sich aber auch bei der Bezahlung wiederfinden. Wer wollte ihr da widersprechen?

Eine andere Frage ist aber, ob jeder, der ihr Ziel gutheißt, auch ihr Gesetz für richtig halten muss. Hier sind erhebliche Zweifel angebracht. Denn die Lohnlücke von 21 Prozent rührt nicht etwa daher, dass die Firmen bei der Kollegin A ein Fünftel des Gehalts abzwacken, das sie dem Kollegen B überweisen. Der allergrößte Teil des Unterschieds rührt vielmehr daher, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, häufiger ihre Berufstätigkeit unterbrechen – und häufiger in sozialen und assistierenden Berufen arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird.

Unterschiedliche Bezahlung ändert sich durch das Gesetz nicht

Ein gesetzliches Recht für Frauen, darüber informiert zu werden, was männliche Kollegen mit vergleichbaren Aufgaben im Durchschnitt verdienen, ändert weder etwas an der unterschiedlichen Bezahlung noch an deren Ursachen. Es kann sogar dazu führen, dass Deutschland sich noch weiter vom Ziel der Lohngleichheit entfernt – kann die Politik doch behaupten, sie habe bereits weitreichende Schritte unternommen.

Dass Teilzeitarbeit geringer bezahlt wird als ein vergleichbarer Vollzeit-Job, hat mit ungleicher Bezahlung wenig zu tun. Der wichtigste Grund dafür, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, ist die Erziehung der Kinder. Verdient der Mann mehr als die Frau, ist es für die Familie wirtschaftlich vorteilhaft, dass die Frau kürzer tritt – selbst bei Paaren, die sich die familiären Aufgaben teilen wollen, aber auch über die Runden kommen müssen. Das ohnehin geringere Gehaltsniveau von Frauen begünstigt somit eine Verringerung der Arbeitszeit, die deren Einkommen weiter senkt. Mit den jeweiligen Arbeitgebern hat das wenig zu tun. Das neue Gesetz aber schiebt den Firmen die Schuld an einer gesellschaftlichen Entwicklung zu, die maßgeblich auf Versäumnissen der Politik beruht.

Der Teufelskreis zwischen niedrigem Grundgehalt und kurzer Arbeitszeit

Wer den Teufelskreis aus geringerem Grundgehalt und kürzerer Arbeitszeit durchbrechen will, muss endlich dafür sorgen, dass die Erziehung von Kindern für die Familien kein organisatorischer Drahtseilakt mehr ist. Das drängende Projekt und die Besprechung am Arbeitsplatz kurz vor Schließung der Kita setzen vor allem Mütter unter enormen Stress und hindern manche auch daran, überhaupt arbeiten zu gehen. Längere Öffnungszeiten von Kitas würden für die Lohngleichheit weit mehr bringen als ein neuer Auskunftsanspruch.

Langfristig hilfreich wäre allerdings auch, wenn sich mehr Mädchen, die im Durchschnitt ja sogar die besseren Schulnoten haben, für Berufe entscheiden würden, in denen sie mehr verdienen können als in den klassischen Frauen-Berufsfeldern. Die Alterung der Gesellschaft wird allerdings dazu führen, dass auch der Bedarf an sozialen Tätigkeiten steigt. Der Personalmangel in der Altenpflege und in Kindertagesstätten zeigt, wie groß die Notwendigkeit ist, soziale Berufe attraktiver zu machen. Die Frage, wie sich das finanzieren lässt, wäre den Schweiß der politischen Entscheidungsträger wert. Das Gesetz, das Deutschland nun auf den Weg gebracht hat, ist dagegen bestenfalls überflüssig, vielleicht sogar schädlich. Es wird in den Belegschaften Erwartungen schüren, die es nur enttäuschen kann.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de