Nach neun Monaten müssen Zeitarbeiter wie die Stammbelegschaften bezahlt werden. Darauf hat sich die Koalition verständigt. Doch Ausnahmen sollen möglich sein.
Berlin - Die große Koalition hat sich nach monatelangen Verhandlungen auf neue Regeln für Leiharbeit und Werkverträge verständigt. Die Führungen von Union und SPD beschlossen, das geplante Gesetz schnell im Kabinett auf den Weg zu bringen. Weil die CSU auf Nachbesserungen im Sinne der Unternehmen bestand, zogen sich die Gespräche hin. Was die vorgesehenen Regelungen für Beschäftigte bedeuten, zeigt ein Überblick:
Was bedeutet die Höchstgrenze?
Die wichtigste Neuerung des vorgesehenen Gesetzes besteht darin, dass künftig eine unbegrenzte Zeitarbeit nicht mehr möglich sein wird. „Damit schaffen wir mehr Fairness für die Beschäftigten“, sagt der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß. In vielen Fällen stellen Unternehmen Leiharbeiter ein, um beispielsweise Auftragsspitzen bewältigen und flexibel planen zu können. Das soll weiterhin möglich sein. Die große Koalition will mit dem geplanten Gesetz aber verhindern, dass mit Hilfe der Zeitarbeit branchenbezogene Tariflöhne unterlaufen werden. Künftig soll es eine Höchstdauer für Zeitarbeit von 18 Monaten geben. Damit sollen Anreize geschaffen werden, dass die Betriebe Leiharbeitnehmer nach 18 Monaten übernehmen. Falls dazu der Betrieb nicht bereit ist, muss der Verleiher die Beschäftigten aus dem Unternehmen abziehen. Faktisch wirkt sich diese Regelung allerdings nur für einen Teil der fast eine Million Zeitarbeiter aus. Denn die meisten Leiharbeiter sind nur einige Monate in einem Unternehmen beschäftigt. Etwa 14 Prozent aller Zeitarbeitsverhältnisse dauerten länger als 18 Monate.
Welche Ausnahmen sind möglich?
Auch künftig können Zeitarbeiter länger als 18 Monate in einem Betrieb beschäftigt werden, wenn es dafür eine tarifvertragliche Regelung gibt. Damit räumt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) der Tarifautonomie Vorrang ein. Auf Druck der CSU und der Wirtschaftsverbände sollen aber auch Branchen profitieren, in denen es viele nicht-tarifgebundene Betriebe gibt. Das gilt etwa für die Metall- und Elektroindustrie. Viele Unternehmen sind nicht an den Flächentarifvertrag gebunden, übernehmen aber mit Hilfe von betrieblichen Vereinbarungen einzelne tarifvertragliche Regelungen. Ursprünglich war im Gesetzentwurf vorgesehen, dass die nicht-tarifgebundenen Unternehmen Zeitarbeiter höchstens 24 Monate lang einsetzen können. Davon können nicht-tarifgebundene Unternehmen abweichen, wenn sie beispielsweise einen Tarifvertrag, der eine maximale Entleihdauer festlegt, mit Betriebsvereinbarung übernehmen. Das verschafft den Unternehmen mehr Flexibilität.
Was wird zur Bezahlung geregelt?
Eine wichtige Neuregelung besteht darin, dass Zeitarbeiter nach neun Monaten gleich bezahlt werden müssen wie die Stammbelegschaften. Das wird gesetzlich geregelt. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. So bestehen beispielsweise in der Metall- und der Chemieindustrie Branchenzuschlagstarife, die dazu führen, dass das Gehalt von Zeitarbeitern schon nach sechswöchigem Einsatz in einem Betrieb steigt. Sind solche Zuschläge vorgesehen, kann ein Betrieb auch länger von der gleichen Bezahlung abweichen. Bedingung dafür ist, dass die Zuschläge nach sechs Wochen einsetzen. In diesem Fall muss der Betrieb Zeitarbeitern spätestens nach 15 Monaten ein Arbeitsentgelt bezahlen, das dem Niveau der Stammbelegschaft entspricht. Die Bundesregierung begründet die Abweichung damit, dass sich Gewerkschaften und Arbeitgeber auf Branchenzuschlagstarife geeinigt hätten. Eine gesetzliche Regelung soll nicht dazu führen, dass die Zuschläge wieder abgeschafft werden. Dies sei nicht im Sinn der Zeitarbeiter.
Was ist für Werkverträge geplant?
Auch in diesem Punkt bleibt es bei der Regelung, die Arbeitsministerin Nahles schon vor Monaten mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) ausgehandelt hat. In dem geplanten Gesetz wird festgeschrieben, wer Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer ist. Damit sollen „normale“ Beschäftigte zu Auftragsnehmern mit Werkvertrag abgegrenzt werden. Der Gesetzgeber will bei der Definition des Arbeitnehmerbegriffs auf die Grundsätze der Arbeitsgerichte verweisen. Einen umfassenden Kriterienkatalog für Werkverträge, der ursprünglich von Nahles ursprünglich erwogen worden war, soll nicht kommen. Dagegen waren die Wirtschaftsverbände Sturm gelaufen, weil sie befürchteten, Werkverträge könnten erschwert werden. Mit dem Gesetz sollen allerdings missbräuchliche Vertragsgestaltungen abgeschafft werden. Es soll künftig nicht mehr möglich sein, dass Arbeitgeber Werkverträge nachträglich als Leiharbeit umdeklarieren. Falls das passiert, werden Bußgelder fällig. Außerdem werden die Informationsrechte des Betriebsrates über den Einsatz von Werkverträgen gesetzlich klargestellt.
Was passiert bei Streiks?
Per Gesetz soll geregelt werden, dass Leiharbeiter nicht als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Beim Treffen der Koalitionsspitzen wurde vereinbart, dass die Leiharbeiter aber dann weiter beschäftigt werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass sie keine Aufgaben übernehmen, die bisher von Streikenden ausgeführt wurden. Die Regierung meint, dass mit dieser Regelung Leiharbeiter bei Streiks besser geschützt seien.