Dauner trompetet 1953 bei der New Combo. Foto: Privat

Frühjahr 1936: Eine ältere Frau zieht auf der Neckartalstraße einen Leiterwagen hinter sich her. Ein Baby liegt drin, es heißt Wolfgang Dauner und ist zu verschenken.

Münster - Frühjahr 1936: Eine ältere Frau zieht auf der Neckartalstraße einen Leiterwagen hinter sich her. Ein Baby liegt drin, es heißt Wolfgang Dauner und ist zu verschenken. Vor dem Waisenhaus konnte Berta Rapp den Knirps retten, aber durchfüttern kann sie ihn nicht. Sie ist froh, als sie schließlich ein älteres, kinderloses Ehepaar findet, das selbst nicht viel hat und sich trotzdem des Würmchens erbarmt. Die Falters aus der Elbestraße sind fortan Wolfgangs Eltern.

Nachzulesen ist die Geschichte in der wunderbaren Biografie „Das brennende Klavier“, die der Stuttgarter Autor Wolfgang Schorlau über den berühmten Jazzpianisten, Trompeter und Komponisten geschrieben hat. Wolfgang Dauners Kindheit in Münster ist vom Krieg gekennzeichnet. Als die Wehrmacht 1945 fluchtartig die Kasernen verlassen, ist für den Neunjährigen und seine Kameraden der große Abenteuerspielplatz eröffnet. Die Kinder klauben auf, was die Soldaten zurückließen: „Wir haben mit Kriegssachen gespielt und hatten auch immer eine Pistole dabei. Auf uns übte das eine Faszination aus“, erinnert sich Dauner. Immerhin findet der Junge zwischen all dem gefährlichen Kruscht auch sein erstes Instrument, eine Trompete. An einem schönen Sommertag 1945 entdecken die Buben fatalerweise in einem Gebüsch eine Kiste mit Panzerabwehrgranaten. Sie schleichen sich damit ans Neckarufer, um sie ins Wasser zu schmeißen. Wolfgang darf zuerst. Er zieht den Splint und wirf: nichts. Da hört er seine Pflegemutter Rosa, die nebenan im Biergarten „Neckarlust“ hockt und nach ihm ruft. „Im Befehlston“, wie Dauner präzisiert. Er folgt und eilt die Uferböschung hinauf. Oben durchbebt ihn ein gewaltiger Schlag. Als er sich umwendet, sieht er eine Feuerfontäne emporschießen: Ein Spielkamerad ist sofort tot, einer verliert sein Auge, ein dritter ist am Bein getroffen. Die resolute Rosa hat ihm das Leben gerettet.

Stammpianisten des Salonorchesters

Die musikalischen Anfänge des Jazzers liegen einerseits in Bad Cannstatt, am Klavier seiner Tante und Klavierlehrerin Berta Rapp, andererseits im Musikverein Münster, wo Dauner rasch zum Stammpianisten des Salonorchesters avanciert. Mit einigen der Jungs aus dem MV-Münster gründet er eine eigene Band, die sich „New Combo“ nennt. Die Band spielt abends in den Clubs der Amerikaner, wo sich für die jungen Deutschen eine musikalisch und sittlich aufregend neue Welt auftut. Dauner wird flügge. Er packt noch seine Maschinenschlosserlehre in Bad Cannstatt, aber dann muss der junge Musiker hier dringend raus.

Er ist dann sehr viel später kurz zurückgekehrt, mit Pauken und Trompeten und einer kreativen Entourage: Im Oktober 2011 feierte Dauner mit einem rauschenden Fest und viel Prominenz in Münster seinen 75. Geburtstag. Die Sause im Kultur- und Sportzentrum firmierte unter dem Titel „Zu den Wurzeln seiner Kindheit. Wolfgang Dauner – Eine illustre Zeitreise“.