Einer der größten Hortfunde der Spätbronzezeit: Dieser in Weißig bei Dresden entdeckte Schrotthort ist rund 20 Kilogramm schwer und besteht aus 63 vollständigen Objekten und 328 Fragmenten. Foto: Landesamt für Archäologie Sachsen/J. Lipták

Den Begriff Marktwirtschaft gibt es seit den frühen 1930er Jahren. Doch Handel, der durch Angebot und Nachfrage reguliert wird, gibt es schon sehr viel länger. Bereits vor 3500 Jahren existierte in Europa eine vergleichbare ökonomische Ordnung mit Vorläufern des Geldes.

Die Ökonomie dient der planvollen Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Je planvoller, geregelter und geordneter dies abläuft, desto besser für die Beteiligten – kleine und große Unternehmen, private und öffentliche Haushalte.

 

Wirtschaft ist wichtig, sehr wichtig, unentbehrlich sogar. Aber sie ist nicht allzuständig und kann nicht alles leisten. Sie braucht Grenzen und Schranken, Normen und Werte. Sie muss eingebettet sein in eine tragfähige Kultur des Gebens und Nehmens, eine soziale Ordnung, die rationalen Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens folgt. Eine solche ökonomische Ordnung ist beispielsweise die Marktwirtschaft.

Angebot und Nachfrage vor 3500 Jahren

In Europa existierte einer aktuellen wissenschaftlichen Studie zufolge bereits vor rund 3500 Jahren ein mit der Marktwirtschaft vergleichbares Wirtschaftssystem, das durch Angebot und Nachfrage reguliert wurde und an dem alle Menschen proportional zu ihrem Einkommen beteiligt waren.

Auch die Ausgabegewohnheiten der prähistorischen Europäer unterschieden sich danach nicht wesentlich von den heutigen, wie die Universität Göttingen mitteilt. Die Studie ist im Fachmagazin „Nature Human Behaviour“ erschienen.

Zersplitterte Metallgegenstände als Vorläufer des Geldes

Wissenschaftler aus Göttingen und dem italienischen Salento analysierten für ihre Untersuchung mehr als 20 000 Metallgegenstände, die zwischen etwa 2300 v. Chr. und 800 v. Chr. in Italien, der Schweiz, Österreich, Slowenien und Deutschland vergraben wurden.

In China wurden Waren und Dienstleistungen bereits um 600 v. Chr. mit Bronzemünzen bezahlt. Foto: Imago/Pond5 Images

Mit Hilfe eines statistischen Verfahrens fanden sie heraus, dass Metallgegenstände ab etwa 1500 v. Chr. absichtlich zersplittert wurden, um ein Vielfaches der Gewichtseinheit von etwa zehn Gramm zu erhalten – eine Einheit, die überall in Europa verwendet wurde. Dies deutet nach Angaben der Forscher darauf hin, dass Metallfragmente als Geld im Umlauf waren.

Prähistorische und moderne Haushaltsführung

Ein Vergleich der statistischen Verteilung der täglichen Ausgaben von Haushalten im prähistorischen Europa mit modernen westlichen Volkswirtschaften zeigte, dass die Gewichtswerte des Metallgeldes damals eine vergleichbare Verteilung aufwiesen wie die Beträge in einem modernen westlichen Haushalt.

Kleine alltägliche Ausgaben machten die große Mehrheit der Ausgaben aus, während größere Ausgaben vergleichsweise selten waren. Das wahrscheinlichste Szenario zur Erklärung der prähistorischen Daten ist nach Ansicht der Autoren, dass es damals eine Marktwirtschaft gab.

Die Studie zeigt den Forschern zufolge, dass der Markt nicht nur vor der Erfindung des formellen Münzwesens existierte, sondern sogar lange, bevor es irgendeine Form des Staates in Europa gab.

Klassiker der Ökonomie in einer Bibliothek. Foto: Imago/Dreamstime

„Marktwirtschaft hat es schon immer gegeben“

„Wir sind daran gewöhnt, die Marktwirtschaft als ein Produkt der Moderne zu betrachten, als eine Innovation, die das Leben und das Denken der Menschen sofort nach ihrem Erscheinen tiefgreifend verändert hat“, betont Nicola Ialongo vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen.

Tauschhandel im Mittelalter. Foto: Imago/Kena Images

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sie schon immer gegeben haben könnte. In gewisser Weise könnte man es sogar als eines der vielen Verhaltensmerkmale betrachten, die uns als Menschen ausmachen, wie beispielsweise Krieg und Ehe.“

Und: „Unsere Ergebnisse widersprechen einigen seit langem bestehenden Annahmen in der Archäologie, Ökonomie und Anthropologie“, ergänzt Giancarlo Lago von der Abteilung für Kulturerbe der Universität von Salento. „Sie deuten auch darauf hin, dass viele der Unterschiede, die wir zwischen westlichen und vermeintlich primitiven Kulturen sehen, nicht so gravierend sind, wie wir vielleicht denken.“

Info: Markt, Macht und Moral

Aristoteles
Für Aristoteles (382-322 v. Chr.), der der Ökonomie ihren Namen „Oikonomia“ (Wirtschaft des ganzen Hauses) gab und sie als eigenständige Disziplin auf den Weg brachte, ist diese Einsicht grundlegend. Der griechische Philosoph versteht „Oikonomia“ im umfassenden Sinne als Gesellschaftslehre, die moralischen Prinzipien folgt. Der „Homo oeconomicus“ steht nicht über dem „Homo politicus“, genauso wenig wie die Wirtschaft total einer politischen Ideologie unterworfen werden darf. Wohin dies führt, hat sich am Aufstieg und Fall des Sozialismus gezeigt. „Oíkos“ und „nomos“, Haus und Gesetz, bedingen einander, bauen aufeinander auf, greifen ineinander, ergänzen sich.

Thomas Hobbes
Was schmiert den Motor der regionalen, nationalen und globalen Wirtschaft besser? Ein regelloses Hauen und Stechen, an dessen Ende nur der Stärkste, Brutalste und Skrupelloseste obsiegt? „Homo homini lupus“ – der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, sein gefährlichster Feind. Diese Prämisse vertrat der englische Philosophen und Staatstheoretiker Thomas Hobbes (1588-1679). „Selbst die Guten (müssen) bei der Verdorbenheit der Schlechten ihres Schutzes wegen die kriegerischen Tugenden, die Gewalt und die List, dass heißt die Raubsucht der wilden Tiere, zu Hilfe nehmen“, schreibt er in seinem staatsphilosophischen Hauptwerk „Leviathan“.

Immanuel Kant
Oder gilt das, was Immanuel Kant (1724-1804) auf die Frage „Was soll ich tun?“ antwortete: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“

Herbert Spencer
Evolution bedeutet in der Biologie: „Survival of the Fittest“. Überleben werden nur die am besten angepassten Individuen. In diesem Sinne hat der britische Sozialphilosoph Herbert Spencer (1820-1903) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Darwinsche Evolutionstheorie für das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben umgedeutet.

Adam Smith
Anders als in Spencers gesellschaftlichen „Brutalo-Evolutionismus“ ist der „Homo oeconomicus“ von Adam Smith (1723-1790), dem Vater der Nationalökonomie und Autor einer „Theorie der moralischen Gefühle“ gekennzeichnet. Wie durch eine unsichtbare Hand werden die Einzelnen dahin gelenkt, dass sie, indem sie der Triebfeder des Eigennutzes folgen, zugleich dem Gemeinwohl dienen. Auf dieser sozio-ökonomischen Grundlage hat sich die Ethik des Utilitarismus entwickelt, die gegen den enthemmten Manchester-Kapitalismus als Ziel der Wirtschaft das höchstmögliche Glück der höchstmöglichen Zahl postuliert. Der weitsichtige „Homo oeconomicus“ folgt auch moralischen Prinzipien, sobald er die Folgen seines Handelns in seine Entscheidungen einbezieht. Er strebt nicht die isolierte Gewinnmaximierung um jeden Preis und auf Kosten anderer an, sondern einen höchstmöglichen und nachhaltigen Gesamtnutzen seines Handelns.