Exklusive Einblicke in eine eher verschlossene Behörde. Foto: AFP/Uli Deck

Wissenschaftler haben Wirken und Personal der Bundesanwaltschaft in der Zeit des kalten Krieges unter die Lupe genommen.

Karlsruhe - Wenn jahrelange Forschung in ein Ergebnis mündet, wenn die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse in einem Buch präsentieren, dann ist meist ein großes Projekt zu Ende gegangen. Nicht so in Karlsruhe. Dies sei „kein Schlusspunkt“, nun werde mit den Ergebnissen eine „detaillierte Auseinandersetzung folgen“, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Donnerstag. Die Historiker Friedrich Kießling und der Rechtswissenschaftler Christoph Safferling hatten da gerade vorgestellt, was sie in fünf Jahren Recherche über die Anfänge der Behördeherausgefunden hatten.

 

Blick in geheime Akten

Die Geschichte der Bundesanwaltschaft im Kalten Krieg, genauer zwischen den Jahren 1950 und 1974, haben sich die beiden Wissenschaftler ausführlich angesehen – sie durften dafür in bisher unveröffentlichten Akten blättern. Die Forschungen brachten zu Tage, dass die zunächst noch kleine Behörde zu diesen Zeiten mit einem hohen Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder und Juristen aus dem NS-Justizapparat besetzt war. Im Jahr 1966, mehr als 20 Jahre nach Kriegsende, gab es elf Bundesanwälte, von denen waren einst zehn in der Nazi-Partei. 1974 waren es noch sechs von 15. Es sei „erschreckend“, wie diese Kontinuität funktioniert habe, sagte Safferling. Vieles sei über die alten Netzwerke gelaufen.

Keine Kriegsverbrecher aus den Reihen der SS

Margaretha Sudhof, die Staatssekretärin aus dem Justizministerium, erinnerte daran, dass „die Bundesrepublik Deutschland von Funktionsträgern des NS-Regimes aufgebaut“ worden ist. Vor allem die Justiz und die Verwaltung hätten sich mit der Aufarbeitung jahrelang „schwer getan“. Generalbundesanwalt Peter Frank begrüßte es daher, dass vom kommenden Jahr an auch in der juristischen Ausbildung mehr Gewicht auf die Auseinandersetzung mit dem Nazi-Regime und der SED-Diktatur gelegt werden soll. Der Historiker Friedrich Kießling sprach von einer „erheblichen formalen Belastung“, die auch im Vergleich zu anderen Behörden sehr hoch gewesen sei. Andererseits habe es beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beim Bundesnachrichtendienst auch ehemalige SS-Mitglieder gegeben, die an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen seien. Solche Fälle habe man bei der Bundesanwaltschaft nicht gefunden, es gehe hier um NSDAP-Mitgliedschaften.

Überraschendes in der Spiegel-Affäre

Interessante Neuigkeiten förderte Kießling auch zur Spiegel-Affäre zu Tage. Die Bundesanwaltschaft habe zu Beginn der 60er Jahre „eine größere Rolle gespielt als zunächst gedacht“. Bei der „Spiegel“-Affäre hatte die Polizei auf Anordnung der Bundesanwaltschaft im Oktober 1962 in einer nächtlichen Aktion die Redaktionsräume des Magazins in Hamburg und Bonn durchsucht. Mehrere Redakteure wurden wegen des Verdachts auf Landesverrat festgenommen. Grund war ein kritischer Bericht über die Atomstrategie des Bundesverteidigungsministeriums. Auch für den Historiker überraschend: „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein wurde vom damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback persönlich festgenommen.