Dorothea Dachauer findet, es werde mit zweierlei Maß gemessen. Foto: Caroline Holowiecki

Die Inhaberin von Zappalott in Filderstadt-Bonladen ist verwirrt. Sie hält ihr Geschäft geschlossen, einige Kinder-Secondhand-Läden in Stuttgart aber sind offen. Wie kommt das?

Filderstadt/Stuttgart - Die Tür ist abgesperrt. Der Kinder-Secondhand-Laden Zappalott in Filderstadt-Bonlanden ist zu. „Verkauf und Warenrückgabe ist für uns – anders als erwartet – unter den derzeit geltenden Auflagen nicht stemmbar, weshalb wir uns entschieden haben, Zappalott weiterhin geschlossen zu lassen“, erklärt die Inhaberin Dorothea Dachauer online.

Click-and-Collect, also ein Abholservice, ist für sie keine Alternative. Sie führt nur Einzelstücke, und die alle zu fotografieren und die Bilder dann online zu präsentieren oder Interessenten zu schicken, sei nicht praktikabel, sagt sie. „Die Kraft habe ich auch nicht.“

Dorothea Dachauer ist auch aus einem anderen Grund zermürbt: Einige Mitbewerber in Stuttgart öffnen ihre Läden. Ein Kinder-Gebrauchtwarenladen in Gablenberg etwa wirbt bei Facebook damit, „nach Absprache mit dem Ordnungsamt“ wieder aufgemacht zu haben, auch ein Kinderkaufhaus im Osten wird zumindest seine Babyabteilung wiedereröffnen, erfährt man am Telefon. Dorothea Dachauer ist verwirrt. „Wenn es für alle oder keinen gelten würde, wäre es nachvollziehbar“, sagt sie, doch sie hat das Gefühl, es werde mit zweierlei Maß gemessen.

Ist ein Kinder-Secondhand-Laden ein Babyfachmarkt?

Tatsächlich geht es um die Frage: Ist ein Kinder-Secondhand-Laden ein Babyfachmarkt? Die dürfen nämlich nach der Corona-Verordnung öffnen. Zudem gilt im Handel: „Wenn Mischsortimente angeboten werden, dürfen Sortimentsteile, deren Verkauf nicht gestattet ist, verkauft werden, wenn der erlaubte Sortimentsteil weitmindestens 60 Prozent des Umsatzes oder der Verkaufsfläche beträgt“, heißt es. Andernfalls müssen Waren räumlich abgetrennt werden.

Was gilt aber als Babyfachmarkt? Pascal Murmann, ein Sprecher des Sozialministeriums, stellt die Grundversorgung in den Mittelpunkt. „Da der Lebensmitteleinzelhandel unter anderem auch für die Versorgung von Säuglingen und Kleinkindern bestimmte Waren des täglichen Bedarfs führt, darunter in erster Linie Babynahrung, Windeln und spezielle Pflegeprodukte, wurden Babyfachmärkte nicht pauschal geschlossen.“ Bei Secondhand-Läden könne es sein, dass erlaubte Sortimente nur eine untergeordnete Rolle spielen. „Dies hat im Zweifel die örtlich zuständige Behörde zu beurteilen.“

In Stuttgart jedenfalls darf Kleidung für Babys verkauft werden, also für Kinder bis zu einem Jahr, teilt der Verwaltungssprecher Martin Thronberens fürs Ordnungsamt mit. Der Verkauf von Kleidung für ältere Kinder sei untersagt. Allerdings mit einer Ausnahme: Schuhe. „Hier geht man davon aus, dass eine fachliche Beratung notwendig ist. Daher dürfen Schuhe auch für Kinder verkauft werden, die älter als ein Jahr sind“, erklärt er. In anderen Kommunen, etwa Freiburg, gebe es ähnliche Regelungen.

Sie will wissen, was Sache ist

Und Filderstadt? Dorothea Dachauer wartet auf Informationen des örtlichen Ordnungsamts. Ihre Gewerbeanmeldung hat sie extra spezifiziert, um aufzuzeigen, dass sie „das komplette Sortiment für Kinder ab null Jahren“ führt. „Es geht mir um Klarheit und Fairness“, betont sie. Nicht nur sie würde gern wissen, was Sache ist. Wunderland, ein zweiter Kinder-Vintage-Shop in Bonlanden, ist auch zu. Click-and-Collect ist hier möglich, aber „das ist sehr zeitintensiv“, sagt die Inhaberin Heike Schmidt. Öffnen würde auch sie gern wieder. Dass Stuttgarter das längst praktizieren, „das wusste ich gar nicht“.

Eine Nachfrage ergibt: Auch im Filderstädter Ordnungsamt ist eine Öffnung der örtlichen Secondhand-Läden grundsätzlich denkbar, denn „was fürs Land gilt, gilt für uns auch“, sagt der Amtsleiter Jan-Stefan Blessing.

Dass Babywaren geführt werden, müsse aus der Gewerbeanmeldung hervorgehen, sagt er. Und dann käme auch hier die 60-Prozent-Regel zur Anwendung. Sprich: Wer sein Geld hauptsächlich mit Babyartikeln verdiene, dürfe komplett öffnen, ansonsten müssten andere Waren abgetrennt werden. Maßgeblich sei der Umsatz, sagt Jan-Stefan Blessing, „das muss man über Betriebsbücher nachweisen“. Auch Vor-Ort-Kontrollen hält der Ordnungsamtschef für denkbar.