Elisabeth Magro Malosso wickelt in ihrem Laden die letzten Verkäufe ab Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Seit mehr als 40 Jahren ist Elisabeth Magro Malosso in ihrem Tante- Emma-Laden in der Herderstraße im Stuttgarter Westen für ihre Kunden da. Zum Jahresende schließt sie und will dann ihr Leben genießen.

Stuttgart - Die Regale sind bereits so gut wie leer. Im Sektregal steht nur noch eine einzige Flasche: Es ist Rotkäppchen-Sekt, halbtrocken. „Die geht bis Silvester bestimmt auch noch weg“, ist Elisabeth Magro Malosso überzeugt. Am 31. Dezember, Punkt 11 Uhr, schließt sie nach mehr als 40 Jahren ihren Tante-Emma-Laden in der Herderstraße 6 im Stuttgarter Westen. „Spätestens dann“, betont sie. Denn vielleicht sind die zwei Schachteln Mon Chérie, 20 Tüten Milch und ein paar Konserven bereits früher verkauft. Tee und Kaffee sind schon seit ein paar Tagen weg.

Kunden werden mit Namen begrüßt

80 bis 85 Kunden, viele davon Stammkunden, bediente die 65-jährige Ladeninhaberin pro Tag. Schon um 5.30 Uhr morgens räumt sie die Regale ein – und ab 6 Uhr kommen die ersten Kunden: „Die einen kaufen vor der Arbeit noch schnell ihre Zeitung, die anderen ihr Päckchen Zigaretten.“ Karlheinz Schwarz gehört da schon zu den Spätaufstehern. Der 68-Jährige, der im Stuttgarter Westen aufgewachsen ist, kommt gegen 7 Uhr. „Die Roten?“ fragt Magro Malosso und legt ihm seine Packung L&M auf die Theke, sobald er zur Tür reinkommt.

Wie Schwarz zu den Zigaretten bekommen auch die anderen Kunden zu ihrem Einkauf noch ein Schwätzchen obendrauf. „Aber nur, wenn sie das wollen“, sagt Magro Malosso. Ihre Erfahrung: „Vor allem den Älteren tut es gut, wenn sie über ihre Sorgen sprechen können. Und kaum jemand verlässt ohne ein Lachen auf den Lippen mein Geschäft.“ Dass sie nach 40 Jahren in ihrem Tante- Emma-Laden die 88 Prozent Stammkunden mit Namen kennt, ist selbstverständlich.

Von der Pike auf gelernt

In ihrem Geschäft steht Elisabeth Magro Malosso bereits seit 1972. Zunächst war sie Angestellte. Als ihr Vorgänger Martin Buchholz in den Ruhestand ging, hat Magro Malosso das Geschäft in Eigenregie übernommen. „Am 4. Januar 1998 bin ich an den Start gegangen“, sagt sie und zeigt stolz auf die Fotos von der Eröffnung. Schon bald kamen auf die frischgebackene Geschäftsfrau Probleme zu. Lidl und Aldi eröffneten in der Nähe ihre Filialen. „Mit den günstigen Eigenmarken kann ich nicht mithalten, und die jungen Familien rechneten mit damals dem Pfennig, heute dem Cent“, erklärt sie sich das Wegbrechen der jungen Kundschaft. Und die guten älteren Kunden wurden auch weniger, „einfach, weil sie gestorben sind“, sagt Magro Malosso. Außerdem wird sie von den großen Lebensmittellieferanten nicht beziehungsweise nicht häufig genug beliefert. „Denen bringen so kleine Geschäfte wie wir zu wenig Umsatz. Deshalb versorgen sie uns nicht oder in zu großen Abständen mit frischer Ware“, beklagt die Geschäftsfrau, die den Einzelhandel von der Pike auf gelernt und mit 14 Jahren ihre Lehre gemacht hat.

Das Tief überwand Magro Malosso, weil sie ihren Laden um einen Hermes-Paketshop erweiterte, Getränke ausfahren lässt, manchmal auch die Lebensmittel zu den Kunden nach Hause bringt und Waren, die sie nicht führt, auf Wunsch besorgt. „Haben wir nicht“, gibt es bei Elisabeth Magro Malosso nicht. „Dadurch sind neue Stammkunden dazugekommen. Der Kundenkreis ist mittlerweile sehr gemischt“, sagt sie. Mit einem Großhändler in Singen hatte sie auch bald wieder einen Lieferanten gefunden.

Eine Lücke mehr in der Nahversorgung

Dass der Tante-Emma-Laden schließt, tut vielen Kunden leid. Denn mit ihm verbindet sich ein Stück Leben. „Nicht nur ich, auch meine Mutter hat hier bereits eingekauft“, stellt Wolfgang Ziegler fest. Einen Nachfolger gibt es nicht. Elisabeth Magro Malosso, in deren Besitz sich der Laden befindet, verkauft die Geschäftsfläche. Der Vertrag ist so gut wie unter Dach und Fach. Aus dem Geschäft soll eine Wohnung werden.

„Würde ich an einen Einzelhändler vermieten, müsste ich mir eventuell Sorgen machen, weil die Miete nicht pünktlich kommt“, begründet Magro Malosso ihre Entscheidung. Schwer fällt ihr der Abschied nicht. „Ich habe seit 27 Jahren keinen Urlaub gemacht und an keinem Brückentag freigenommen. Das kann man sich einfach nicht leisten, wenn man frische Ware führt, sagt sie und will jetzt mit ihrem Mann Salvatore mindestens zweimal im Jahr in Urlaub fahren.

Ihre Kunden vermissen sie schon jetzt. „Früher gab es hier vier Bäcker und vier Metzger. Jetzt sind es nur noch jeweils zwei, die Post ist sogar ganz weg“, beklagt einer die neue Lücke in der Nahversorgung.