Die Nachfrage nach den Leihrädern ist in Freiberg überschaubar. Deshalb hatte die Stadt den Vertrag gekündigt. Foto: Werner Kuhnle

Die RegioRadStuttgart-Station am Bahnhof in Freiberg am Neckar im Kreis Ludwigsburg bleibt bestehen. Warum eigentlich? Im Ort wird spekuliert, vor allem wegen einer Personalie.

Der Hype um RegioRadStuttgart ist vorbei. Die Nachfrage brach zuletzt ein. Oder verharrte, wie in Marbach, von Anfang an auf schwachem Niveau. In der Schillerstadt beschlossen nun die Räte deshalb – und weil ein Loch in die Kasse gerissen worden war – den Ausstieg aus dem Programm. Bereits zuvor hatte Freiberg am Neckar den Vertrag mit dem Betreiber, der Deutschen Bahn Connect, für die Stationen am Rathaus und am Bahnhof gekündigt. Allerdings kann man sich zumindest am Bahnhof trotzdem weiter auf den Sattel der blauen Gefährte schwingen. Und auch in Marbach ist noch nicht fix, dass die Entscheidung des Gemeinderats tatsächlich das Aus für den Betrieb von RegioRad nach sich zieht.

Bahn hält Bikesharing-Angebote für sinnvolle Ergänzung

In Freiberg ist das System nach wie vor am Laufen, weil eine Art weißer Ritter für die Kommune in die Bresche gesprungen ist. Etwas nebulös hatte RegioRad-Koordinator Ralf Maier-Geißer unlängst am Rande der Touristikmesse CMT davon gesprochen, dass man für die Anlaufstelle am Bahnhof einen Sponsor gefunden habe. Konkret handelt es sich dabei um die S-Bahn Stuttgart, die die Station weiterführen werde, wie eine Sprecherin der Bahn präzisiert. Man treibe die Integration neuer Mobilitätsformen voran, erklärt sie. Dazu zählten auch „unsere Bikesharing-Angebote“, die eine sinnvolle Ergänzung darstellten. Aus diesem Grund habe sich die S-Bahn Stuttgart, also im Prinzip die Bahn selbst, entschieden, die RegioRad-Station am Freiberger Bahnhof weiterzubetreiben. Der Standort am Rathaus werde abgebaut.

Marbacher Bürgermeister zeigt sich überrascht

Die Sprecherin betont zudem, dass auch für die Stationen am Marbacher Bahnhof und auf der Schillerhöhe nach einem Vertragspartner Ausschau gehalten werde. „Uns ist nichts über derartige Aktivitäten der Deutschen Bahn bekannt“, zeigt sich Bürgermeister Jan Trost erstaunt. „Sollte die Bahn auf eigene Rechnung die beiden Stationen in Marbach am Bahnhof und auf der Schillerhöhe weiterbetreiben wollen, stehen wir dem natürlich nicht im Wege“, fügt er hinzu.

Weiter eine Station, aber keine Kosten mehr

Auch in Freiberg hat man sich selbstredend nicht dagegen gewehrt, dass das Projekt trotz der Kündigung der Kommune nicht eingestampft wurde. „Wir haben damals gesagt: Wir freuen uns, wenn die Station erhalten bleibt, aber wir nichts dafür zahlen müssen“, berichtet Bürgermeister Dirk Schaible.

Allerdings waren im Ort wegen des Erhalts ausgerechnet einer Station in Freiberg die Spekulationen ins Kraut geschossen. Befeuert wohl auch dadurch, dass im öffentlichen Diskurs von einem „Sponsor“ oder einem „Partner“ die Rede war, der für die Stadt eingesprungen war, also das Kind nicht beim Namen genannt wurde. Hier und da hieß es dann jedenfalls, die Stadt Stuttgart habe die Kosten übernommen, die eine koordinierende Rolle bei dem Projekt innehat und bei der der frühere Freiberger Bürgermeister Ralf Maier-Geißer für nachhaltige Mobilität zuständig ist. Im Ort wurde gemunkelt, dass eine solche Gemengelage ein Gschmäckle haben könnte. Derartige Schlussfolgerungen seien „weder statthaft noch nachvollziehbar“, so Oliver Hillinger, Pressesprecher der Landeshauptstadt. „Die Stadt Stuttgart finanziert die RegioRad-Station in Freiberg am Neckar nicht“, stellt er klar und bestätigt so die Auskunft der Bahn.

Freiberger Rathauschef will nicht spekulieren

Gegenteiliges behauptet auch Dirk Schaible nicht, der sich zudem nicht an Spekulationen beteiligen möchte. „Ich kann nur sagen: Wir haben einen Vertrag mit der Landeshauptstadt Stuttgart abgeschlossen. Wer dann am Ende für die Station bezahlt hat oder weiter bezahlt, entzieht sich meiner Erkenntnis“, erklärt er. In der Übereinkunft sei geregelt, dass man die Flächen für die Leihräder unentgeltlich zur Verfügung stelle.

Bahn fürchtet keine Nachahmer

Gibt es also vielleicht doch eine Lex Freiberg, wenn die Stadt Stuttgart zumindest als Vertragspartnerin auftritt? Insider fürchten zudem, dass ein solches Prozedere Nachahmer auf den Plan rufen könnte. Nach dem Motto: wir müssen einfach die Verträge zu RegioRad kündigen, Bahn und Landeshauptstadt werden dann in die Bresche springen. Die Bahnsprecherin wiegelt ab. „Wir arbeiten vertrauensvoll mit unseren Partnern zusammen“, sagt sie. Deshalb gehe sie nicht davon aus, dass andere Bahnanrainer nun auf die Idee kommen, auf die Causa Freiberg zu verweisen und eine Gleichbehandlung zu fordern. „Das ist auch nur ein Einzelfall“, betont sie. In Freiberg sei die Radstation wichtig, um eine reibungslose Anschlussmobilität zu gewährleisten.

Übergeordnete Ziele im Blick

Da der S-Bahnhof in Freiberg und die dortige Leihstation einen wichtigen Trittstein zwischen den RegioRad-Kommunen Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen, Marbach und Steinheim darstelle, „wurde in deren Sinne und für das dortige RegioRadStuttgart-System die Nutzungsmöglichkeit der Fläche für eine RegioRadStuttgart-Station vertraglich gesichert“, ergänzt Oliver Hillinger. In einem weiteren Schritt sei die Fläche der Deutschen Bahn Connect zum Weiterbetrieb angeboten worden, erklärt der Pressesprecher der Stadt Stuttgart. „Diese Flächenüberlassung, stellvertretend an die Landeshauptstadt, ist deshalb wichtig, um bei einem möglichen Betreiberwechsel weiterhin die Fläche für das RegioRadStuttgart nutzen zu können“, betont er. Die Stadt Stuttgart als Gesamtkoordinator verfolge dabei das übergeordnete Ziel, das ganze System auch in der Region attraktiv und stabil zu halten. „Die personelle Konstellation“, stellt er klar, „war dafür nicht maßgeblich“.

Für Marbach komme übrigens ein ähnliches Modell infrage, wenn wie in Freiberg die Flächen kostenlos überlassen würden.

Wer hinter RegioRad steckt

Loser Verbund
Bei RegioRadStuttgart handelt es sich organisatorisch gesehen um einen losen Zusammenschluss von momentan rund 50 Kommunen, der formal keine Rechtspersönlichkeit darstellt, daher in manchen Punkten nur eingeschränkt agieren kann. Diese rechtliche Lücke fülle die Stadt Stuttgart aus, die als Gesamtkoordinator fungiert, erklärt deren Pressesprecher Oliver Hillinger.

Zuschlag
Die Stadt Stuttgart war es denn auch, die bei der öffentlichen Ausschreibung die Federführung übernahm, bei der für RegioRadStuttgart ein Betreiber gesucht worden war. Den Zuschlag erhielt die Deutsche Bahn Connect GmbH. Kunden können die blauen Räder an rund 250 Stationen entleihen. Ziel ist, 300 Stationen in 60 Kommunen aufzubauen.