Gert Wiedmaier liefert den „Kunstbeitrag“ für die Juni-Ausgabe der Zeitschrift „Das Plateau“ Foto: Wiedmaier

Der Stuttgarter Künstler Gert Wiedmaier ist ein Beobachter voll sorgsamer Zurückhaltung – seine Bildfolge für die neue Ausgabe der Literaturzeitschrift „Das Plateau“ belegt Wiedmaiers ganz eigene Kunstposition.

Stuttgart - Es ist ein Satz möglicher gefährlicher Beliebigkeit: „Es kann hilfreich sein, sich auf zeitgenössische Kunst zu konzentrieren. Nicht billige, belanglose Ablenkung will da gemeint sein. Sondern ein Sicheinlassen in die Welt, auf die Welt in ihren vielfältigen Vorkommnissen.“ So schließt Wolfgang Erk, Impulsgeber des Stuttgarter Radius-Verlags und Herausgeber der dort erscheinenden Zeitschrift „Das Plateau“, sein Vorwort für Heft Nummer 173.

Diese Kunst schafft Vertrauen

Doch dann dies – Strukturen tauchen aus dem Grund, verbünden sich zu einem Netz, das einen noch in der Fläche spürbaren, aber nicht fassbaren Raum durchspannt. Eine Kontur taucht auf, gibt sich als Kopf, aber viel mehr schon damit als Mensch zu erkennen. Ein zweiter Moment dann, zärtlich umspielt helles Grün, ein eigenes Hellrosa auch, das Gesicht, präzisiert das Porträt, schafft Vertrauen – auch darauf, dass es noch im Verschwinden bleibt.

„Scheinbar beiläufige Anmerkungen“

Der Stuttgarter Gert Wiedmaier hat 15 Arbeiten für das „Radius“-Heft 173 geschaffen. „Kunstbeitrag“ nennt Wolfgang Erk diese bildnerische Wortmeldung. Und gerade so, als wolle Wiedmaier, in Stuttgart vor allem durch die Ausstellungen durch die Ausstellungen in der vormaligen Galerie Horst Merkle bekannt, das Spiel mit der Untertreibung auf die Spitze treiben, nennt der 1961 geborene und in den herausragenden Jahren der Klasse Jürgen Brodwolf an der Stuttgarter Akademie „fast unübersehbar breit geforderte“ Wiedmaier seine Folge „Scheinbar beiläufige Anmerkungen“.

Das Aquarell schafft eine eigene Leichtigkeit

Gert Wiedmaier übt sich in Dialogen. Von Materialien, Zeiten, Ebenen. Fotografie ist ein Ausgangspunkt, aber auch Zeichnung, aber auch Malerei. Sich einlassend auf, sich auflösend in unzähligen Wachsschichten. Für „Scheinbar beiläufige Anmerkungen“ schreibt Wiedmaier die Vorsicht in der Annäherung mit der Entscheidung für das Aquarell fest. Damit vertieft er den Raum, provoziert er eine eigene Zärtlichkeit, lässt er die Ferne in der Nähe verschwinden.

Kunst befragt die Verhältnisse – zwischen Orten, zwischen Menschen

„Verhüllen, Überdecken und Überlagern“, sagt Holle Nann, Leiterin der Städtischen Galerie Ostfildern, sind zentrale Themen im Schaffen von Gert Wiedmaier. „Blickrichtungen“ nannte Wiedmaier 2017 seine künstlerische Befragung der sechs Stadtteile Ostfilderns. Die „Blickrichtungen“ waren und sind im Grunde Anmerkungen – von einem, der auszog, das Verbindende in der bis heute behaupteten Differenz zu suchen. Ein Ansinnen, wie nur die Kunst es kann, und der US-Star Sol Lewitt es 1991 für das so wegweisende Skulpturenprojekt „Platzverführung“ der Kulturregion Stuttgart wagte. Leise wie unmissverständlich darauf aufmerksam zu machen, dass diese Stadt darauf angewiesen ist, immer neu zu fragen, was sie ist, wie sich ihre ja auch aktuell wieder im Rausch eiliger Veränderung befindlichen Teile zueinander verhalten.

Blickverweigerung als Blickerweiterung

Der Schritt in das Grundsätzliche liegt nahe. Wie verhalten wir uns zueinander, wir Menschen, wir Menschen hier in der Metropolregion Stuttgart, in Baden-Württemberg, in Europa. Konstrukte allesamt, doch nicht nur aus künstlerischer Sicht authentischer als manch vermeintliche Klarsicht. „Im ersten Schritt“, sagt Wiedmaier über sein Schaffen, „geht es sicher auch um so etwas wie Blickverweigerung“.

Originale im Radius-Verlag zu sehen

Gert Wiedmaiers herausragend gedruckte „Scheinbar beiläufige Anmerkungen“ vertiefen buchstäblich das zum 1. Juni erschienene „Plateau“-Heft mit Beträgen von Christoph Türcke, Friedrich Schorlemmer und Johan van Tilburg. Zu erleben sind sie in diesen Wochen im Original in den Räumen des Radius-Verlags (Alexanderstraße 162).