Eine Maschine vom Typ A320 – wie diese hier (Symbolbild) – ist in den französischen Alpen abgestürzt Foto: dpa

Ursache und Hergang des Absturzes über den französischen Alpen sind noch unklar. Fest steht nur: 150 Menschen sterben, unter ihnen sind ersten Angaben zufolge 67 Deutsche.

Paris/Düsseldorf - Eigentlich hätte es der routinemäßige Abschluss eines lehr- und erlebnisreichen Austauschtrips werden sollen. Doch der Flug  4U 9525 der Fluggesellschaft Germanwings von Barcelona nach Düsseldorf endete für 16 Schüler und zwei Lehrerinnen aus dem westfälischen Haltern mit dem Tod. Acht Minuten hatte der Sinkflug zuvor gedauert, bis die Airbus-Maschine vom Typ A320 mit den 150 Menschen an Bord in den Alpen zerschellte. Warum es überhaupt zum Absturz kam und was in den letzten Minuten an Bord passierte, ist unklar. Die Auswertung der Flugschreiber, die nach Angaben von französischen Medien bereits gefunden wurden, soll in wenigen Tagen Aufschluss über die Ursache des Unglücks geben.

Die Nachricht vom Absturz verbreitete sich im kleinen Haltern zwischen Münsterland und Ruhrgebiet schnell. „Es ist so eine kleine Stadt, da kennen sich viele“, sagte ein Lehrer der Nachbarschule des Joseph-König-Gymnasiums, das jetzt um die 16 Schüler und die zwei Lehrerinnen trauert. „Wir sind unglaublich traurig – alle“, fügte er hinzu. Wenig später brannten auf einer Tischtennisplatte vor dem Gymnasium die ersten Kerzen. Schüler und Schülerinnen mit bleichen Gesichtern nahmen sich wortlos in die Arme. Einige weinten, konnten es nicht fassen und versuchten, sich gegenseitig zu trösten.

Nach der sechsten Stunde hatte es eine Durchsage des Schulleiters gegeben, erzählte ein Vierzehnjähriger, dessen Klassenlehrerin wohl unter den Opfern ist. Dass der Nachmittagsunterricht ausfalle, hatte der Direktor verkündet. Doch dies sei kein Grund zum Jubeln. Es sei etwas Schlimmes passiert. Was genau geschehen ist, erfuhren die Schüler spätestens, als sie zu Hause den Fernseher einschalteten. „Das kann nicht sein, denkt man dann. Wir kannten die ja“, sagte ein Junge mit einem Strauß roter Rosen in der Hand. Damit wolle er den Angehörigen zeigen, dass er da sei.

Das Unglück lähmt eine ganze Stadt

Es war das sechste Mal, dass ein Kurs der zehnten Klasse eine Partnerschule in der Stadt Llinars del Vallés bei Barcelona besuchte. Erst im Dezember waren zwölf Spanier in Haltern zu Gast. Minütlich wuchs am Dienstagnachmittag die Zahl der trauernden Mitschüler auf dem Schulhof. Und mit ihnen die Zahl der Kerzen und Blumen.

Das Unglück auf der Rückreise des Gegenbesuchs lähmt eine ganze Stadt. Auch Fußball-Nationalspieler Benedikt Höwedes (Schalke 04), der in Haltern aufgewachsen ist, wirkte betroffen. Er wünsche „allen Familien und Angehörigen die Kraft, dieses zu überstehen“ , twitterte er.

Zuvor hatte die stellvertretende Ministerpräsidentin und Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann, indirekt bestätigt, dass die Zehntklässler unter den 150 Opfern sind. „Wir wissen, dass die Schülergruppe an Bord der Maschine gegangen ist“, sagte sie.

„Werden alles tun, um die Ursache schnellstmöglich aufzuklären“

Insgesamt sollen 67 Deutsche getötet worden sein, zudem sollen sich 45 Spanier in der Maschine befunden haben. Auch zwei Babys seien unter den Toten, sagte Thomas Winkelmann. Der Sprecher der Geschäftsführung von Germanwings betonte auf einer Pressekonferenz, dass man zusammen mit den französischen Behörden und den Experten vom Luftfahrtbundesamt „alles tun wird, um die Ursachen des Unfalls umfänglich und schnellstmöglich aufzuklären“. Winkelmann drückte „tiefstes Bedauern gegenüber den Gästen, ihren Angehörigen und den Angehörigen der Crew“ aus.

Das Flugzeug hatte am frühen Morgen Düsseldorf in Richtung Barcelona verlassen. Von dort trat es kurz nach 10 Uhr, eine halbe Stunde später als geplant, den Rückflug an. Um 10.45 Uhr erreichte es laut Winkelmann die Reiseflughöhe von 38 000 Fuß, umgerechnet rund 11 600 Metern, verließ diese aber nach einer Minute und trat in den Sinkflug ein.

Um 10.53 Uhr brach der Kontakt ab, Flug 4U 9525 verschwand vom Radar. Ein Militärhelikopter ortete das Wrack des Flugzeugs wenig später auf etwa 2000 Meter Höhe. Das zerklüftete und verschneite Berggebiet im Südosten Frankreichs sei für Helikopter aber nicht erreichbar, erklärte Frankreichs Staatsminister für Verkehr, Alain Vidalies. Die Absturzstelle liegt nahe der kleinen Gemeinden Le Vernet und Prads-Haute-Bléone in der Region von Digne-les-Bains im Gebirgsmassiv von Estrop. Die Gegend ist geprägt von Felsstücken und Schotterhängen.

Die Trümmer - verteilt auf zwei Quadratkilometern Fläche

Auf den ersten Fotos und Videoaufnahmen ist zu erkennen, dass die Trümmer der Maschine durch den heftigen Aufprall in einem Umkreis von zwei Quadratkilometern herumlagen. Hunderte Einsatzkräfte von Polizei, Gendarmerie und Feuerwehr wurden mobilisiert, um möglichst schnell mit den Bergungsarbeiten zu beginnen. „Da das Gebiet extrem abgelegen ist, stellen wir uns auf eine schwierige und langwierige Rettungsaktion ein“, sagte Pierre-Henry Brandet, Sprecher des französischen Innenministeriums.

An der Klärung der Ursache beteiligen sich auch Fachleute der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. Hinweise für einen terroristischen Hintergrund gab es zunächst nicht, doch sagte der französische Premierminister Manuel Valls, es könne keine Hypothese ausgeschlossen werden. Der Kapitän war seit über zehn Jahren für die Lufthansa und ihre Tochter Germanwings im Einsatz. Die Aktie des Konzerns brach zeitweise um knapp sechs Prozent ein. Nicht nur der Lufthansa bescherte der Absturz ihrer Billigflug-Tochter einen tiefschwarzen Tag.

Am Flughafen in Düsseldorf spielten sich derweil dramatische Szenen ab. Dutzende Menschen warteten im Ankunftsbereich des Airports, als ihre Vorfreude auf das Wiedersehen ihrer Lieben und die Ankunft von Flug 4U 9525 aus Barcelona in fürchterliches Entsetzen umschlug. Viele von ihnen heulten hemmungslos los, einige brachen zusammen.

15 Notfall-Seelsorger sowie mehrere Notärzte und Sanitäter eilten herbei, stützten und betreuten die geschockten Hinterbliebenen, die in die Vip-Lounge geführt wurden. Davor errichteten Mitarbeiter einen weißen Sichtschutz, um die Betroffenen vor neugierigen Blicken zu bewahren. Immer wieder mussten die Helfer eintreffende Angehörige in den gesicherten Bereich führen und ihnen „in der vermutlich schwärzesten Stunde ihres Lebens“ beistehen, wie Airport-Sprecher Thomas Kötter sagte. Auf den Ankunftstafeln war der Flug noch lange angezeigt. Ohne Ankunftszeit, ohne Nummer für den Ausgang der Passagiere. Dabei war längst klar: Sie werden nie ankommen.