Ein Hut gibt die Rolle vor, erklärt die Pädagogin Bärbl Kehrer. Foto: factum/Granville

Am Bosch-Gymnasium spielen auch Unterstufenschüler Theater – und wie.

Gerlingen - Der Zuruf ist kurz und knapp: „Es ist jemand gestorben.“ Die beiden Mädchen in der Mitte brauchen nur wenige Sekunden – dann heulen sie los, nehmen sich in den Arm, sagen schluchzend „die arme Oma . . .“ Robert-Bosch-Gymnasium in Gerlingen, zwei Klassenzimmer am Freitagnachmittag: knapp ein Dutzend Fünft- und Sechstklässler haben sich in einer AG getroffen. Sie machen mit bei einem Projekt, das Unterstufenschülern die Grundzüge des Theaterspielens nahebringt. Und sie machen ihre Sache sehr gut, improvisieren, was das Zeug hält, spielen immer wieder neue Ideen aus.

Die Leiterin Bärbl Kehrer ist begeistert. Die Theaterpädagogin aus Esslingen gibt die groben Linien vor, aber auch konkrete Regieanweisungen. „Denkt an die großen Bewegungen!“ Improvisation fordert die Kreativität heraus – auch der Elf- und Zwölfjährigen. Sie haben schon gelernt, wie Hüte einen Menschen definieren – zum Beispiel eine Schildmütze einen Polizisten oder ein Strohhut einen Landarbeiter. Und dass man sich anders bewegen muss – je nachdem, wen man spielt.

Nachhaltigkeit als Generalthema

Das Thema Nachhaltigkeit steht über dem Ganzen – und da ist es nicht erstaunlich, dass in einer anderen Improvisation Abfall die Hauptrolle spielt. Enna, Mele, Lena, Anja und Torben denken sich kurz eine Szene aus, in der ein verantwortungsloser Mensch Müll fallen lässt, geschnappt und bestraft wird, und spielen dies. Oder das Silber, das wieder gewonnen wird. Dann hat ein Messer als Bruder einen Anhänger. Köstlich und erstaunlich zugleich, wie Enna die Lehrerin spielt, die plötzlich mit dem Kreuz spricht, das sie um den Hals trägt. Man merkt, dass Enna bereits Bühnenerfahrung hat (als Engel im Krippenspiel), ebenso Torben, der dem Anhänger seine Stimme gibt. Er war an Weihnachten in der Kirche Hirte und König. „Ich bin begeistert von den Kindern und ihrer Fantasie“, sagt Kehrer. Ihre Aufgabe sei es, „aus jedem Kind herauszuholen, was in ihm steckt“. Nach den ersten Basisübungen wollen sie ein Stück entwickeln, das im Herbst aufgeführt wird.

Für Julia Weizmann ist das Projekt der Unterstufenschüler eine wertvolle Ergänzung zu ihrer Arbeit mit der seit Jahren bestehenden Theater-AG. Die 31-jährige Lehrerin für Deutsch, Französisch und Geschichte hat die Arbeitsgemeinschaft von ihrem Kollegen Michael Volz übernommen. Die erste gemeinsame Inszenierung liegt schon hinter ihr und dem bewährten Team von rund zwei Dutzend Schülerinnen und Schülern. Sie haben Mitte März „Perfekt.Effekt.Defekt“ aufgeführt – ein Jahr gemeinsamer Arbeit steckte darin. Eigentlich wollte sie als erstes ein klassisches Stück aufführen, erzählt Weizmann – aber dann wurde es doch eine Eigenproduktion.

Von Anpassung und Optimierung

Der Anlass sei ein Aufsatz gewesen: Schüler hätten einen Zeitungsartikel analysiert, in dem es um angepasste Jugendliche ging. Sie sei deprimiert gewesen über die Statements – und habe das Thema der Theater-AG vorgeschlagen. Aus „Anpassung“ wurde „Leistungs- und Selbstoptimierung“. Dies habe gut zum Motto Robert Boschs gepasst, das in der Schule an der Wand steht: „Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ Es sei eine Gemeinschaftsleistung geworden, erzählt Weizmann: „Wir wollten ein humorvolles Stück spielen, es ist aber recht ernst geworden. Ich habe die Jugendlichen viel selbst machen lassen.“ Die Abiturienten hätten sehr gut mit den 13- und 14-Jährigen zusammengearbeitet, sich gegenseitig ernst genommen und ihre Kreativität ausgelebt.

Die Resonanz auf die Aufführung sei toll gewesen, „ich hatte viele interessante Gespräche“. Die AG sei für die Schule ebenso wichtig wie für die Schüler, meint Weizmann. Gruppenerfahrung und Training des Selbstbewusstseins sind nur einige Stichworte. Theater- und Rollenspiel stärke ebenso die Persönlichkeit wie die Zuarbeit zum Geschehen auf der Bühne – das Team besteht nicht nur aus Schauspielern.

Ein Handlungsstück ist dran

Nach der Premiere ist vor der Premiere – dies gilt auch für die Theater-AG des Bosch-Gymnasiums. Für die Leiterin stellt sich die Frage, welches Thema als nächstes dran ist. Sie wolle „ein richtiges Handlungsstück“ inszenieren, meint sie. Die Gruppe der Fünft- und Sechstklässler habe ihre Aufführung im September – und sie hoffe, dass die Theater-AG Verstärkung aus dieser begeisterten Truppe erhalte. Enna und Torben legen sich da nicht fest. Sie üben sich noch im Improvisieren, lachen als Lehrerin und Stimme, packen ein und gehen ins Wochenende. Mit Anhänger.