Für Ältere, für Flüchtlinge: Catherine Leiblein, Foto: factum/Granville

Zehn Frauen und Männer aus Gerlingen engagieren sich nicht nur in der Stadt – sie machen für das Ehrenamt auch noch Werbung. Catherine Leiblein und Omar Al-Nuaimi zum Beispiel. Und jeder von ihnen hat seine ganz eigene Motivation.

Gerlingen - Betritt Omar Al-Nuaimi das Breitwiesenhaus in Gerlingen, zaubert er vielen Bewohnern ein Lächeln ins Gesicht. „Die haben mich ins Herz geschlossen“, sagt der 29-Jährige, der in dem Senioren- und Pflegeheim seit mehr als zwei Jahren ehrenamtlich tätig ist. Er verteilt Essen, geht mit den Senioren einkaufen und spazieren, begleitet sie in die Kirche, setzt sich mit ihnen für einen Plausch an den Tisch. „Die alten Menschen haben so viel aufgebaut. Dafür bin ich ihnen dankbar und will ihnen etwas zurückgeben, indem ich helfe“, sagt Omar Al-Nuaimi. Sein Engagement tue aber auch ihm selbst gut: Die Bewohner freuten sich so über seine Anwesenheit. Die auch noch einen ganz praktischen Nutzen hatte: „Ich habe Schwäbisch gelernt“, sagt Al-Nuaimi.

Ein Iraker lernt Schwäbisch

Nie hätte der 29-Jährige damit gerechnet, einmal in einem Altenheim zu arbeiten und Schwäbisch zu sprechen: Er flüchtete im September 2015 aus dem Irak nach Deutschland. Dort war er Lehrer, kein Ehrenamtlicher – und Altenheime gebe es im Irak ohnehin nicht: „Alte Menschen werden zuhause gepflegt“, sagt Omar Al-Nuaimi. Mittlerweile kann der Neu-Gerlinger sich jedoch weniger um Senioren kümmern als ihm lieb wäre. „Wegen meiner Ausbildung zum Friseur habe ich nur noch am Wochenende Zeit“, bedauert er. Bis dato paukte er täglich am Vormittag Deutsch und ging nachmittags ins Breitwiesenhaus.

Ganz Gerlingen lernt den jungen Mann jetzt kennen: Sein Gesicht ziert eines von zehn Plakaten. Die anderen neun zeigen ebenfalls Menschen, die sich für andere engagieren. Die Plakate hängen in der Innenstadt – sie sind Teil einer Werbeaktion der Freiwilligenagentur, die auch im Internet stattfindet. Das Ziel ist es, auf das Ehrenamt aufmerksam zu machen und noch mehr Menschen dafür zu gewinnen. Denn so viel Herzblut die Freiwilligen in ihre Tätigkeit auch legen: Zahlreiche Menschen wissen offenbar nicht, welche Möglichkeiten des Engagements es gibt und was sie beitragen können. Oder sie haben Bedenken: Wie soll ich ein Ehrenamt mit meinem Beruf vereinbaren?

In einem Bereich mangelt es besonders an Helfern

Ob im sozialen, sportlichen, politischen oder im kulturellen Bereich: „Eine Gesellschaft funktioniert nur mit Ehrenamt“, meint Loredana Wachter vom Amt für Jugend, Familie und Senioren. Es verantwortet die Freiwilligenagentur. Aber gerade im sozialen Bereich fehlten Helfer. Helfer, die sich unter den Gerlingern sicher fänden: Laut einer Umfrage im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts engagiert sich von den 3211 Teilnehmern etwa ein Drittel. Von denen, die noch nicht aktiv sind, wären mehr als zwei Fünftel bereit, eine freiwillige Aufgabe oder Arbeit zu übernehmen. Bei den 25- bis 44-Jährigen ist es sogar mehr als die Hälfte.

Seit mehr als drei Jahren bringt die Freiwilligenagentur Angebot und Nachfrage zusammen. Sie unterstützt Einrichtungen bei der Suche nach Helfern – und hilft Interessenten wiederum, das Passsende zu finden. Ein Problem sei, dass viele eine langfristige Verpflichtung ablehnten und lieber projektbezogen arbeiten wollten. Aus Sicht der Ehrenamtlichen ist das allerdings kein Hindernis: Kleine Aufgaben, sagt Carsten Pipper vom Kultur- und Sportverein KSG, könnten der Türöffner für eine längerfristige Bindung sein.

Widerstand aus der Familie

Catherine Leiblein lernte vor einigen Jahren über eine Freundin einen Geflüchteten aus Gambia kennen. Sie bereitete ihn auf seine Anhörung bei den Behörden vor, begleitete ihn dorthin, merkte, dass ihre Anwesenheit ihm Sicherheit und Ruhe gab, ihm viel bedeutete. Sie ist nun im Freundeskreis Asyl Patin von drei Flüchtlingen. Zwei bis fünf Stunden pro Woche investiert die 57-Jährige in das Ehrenamt. Wann und wie oft sie helfe, entscheide sie selbst.

Dass ein Ehrenamt auch auf Widerstand stoßen kann, erfuhr Leiblein in der eigenen Familie. Ihre Kinder hätten am Anfang eifersüchtig reagiert. Sie verstanden nicht, dass ihre Mutter „schon wieder“ bei den Flüchtlingen sei. Inzwischen, sagt die selbstständige Lehrerin und Übersetzerin, akzeptierten die Teenager, dass „auch andere mich brauchen“. Sie findet es wichtig, ein Vorbild zu sein: „Ich hoffe, dass sich meine Kinder auch mal engagieren.“ Ehrenamtliche könne es nicht genug geben.