Grabungsleiter Jonathan Scheschkewitz zeigt das 6000 Jahre alte, ausgegrabene Skelett. Links ist die Grabbeigabe, eine geschliffene Steinbeilklinge, zu erkennen. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Peter-Michael Petsch

Bei Grabungen in Gerlingen wurde das Skelett eines Mannes aus der Jungsteinzeit gefunden.

Gerlingen - Kurz vor dem Abschluss ihres Studiums für Ur- und Frühgeschichte in Tübingen hat Teresa Neuner einen Glückstreffer gelandet. Der Erfolg besteht aus menschlichen Gebeinen, die etwa 6000 Jahre alt sind und aus der Jungsteinzeit stammen. Es ist nicht das erste Mal, dass die 26-Jährige in ihren Semesterferien bei Grabungen mithilft, und der Fund in Gerlingen ist auch nicht ihr erster. Als Glückstreffer bezeichnet die Studentin ihre Ausgrabung, weil sie in Gerlingen erst seit Anfang August dabei ist. Ihre Kollegen vom Landesamt für Denkmalpflege widmen sich dem Gebiet in der Gerlinger Stadtmitte dagegen schon seit Mai.

Dass die Experten vom Landesamt für Denkmalpflege auf dem fast 7000 Quadratmeter großen Grundstück in Gerlingen arbeiten dürfen, ist kein Zufall. Weil längst bekannt ist, dass es im Boden des Stadtgebiets archäologische Schätze aus fast allen Epochen der Menschheit gibt, ist bei einer Bautätigkeit die Denkmalpflege von Anfang an mit im Boot. Bereits im vergangenen Jahr vereinbarten deshalb die Stadt und der Bauträger für das zukünftige große Geschäfts- und Wohnzentrum (Baukosten: rund 20 Millionen Euro) eine Grabungszeit für die Archäologen von rund 13 Monaten.

kelett lag nur etwa 70 Zentimeter unter der heutigen Oberfläche

Auf dem Träuble-Areal erwarten die Archäologen um den Grabungsleiter Jonathan Scheschkewitz Funde aus den verschiedenen Epochen des Mittelalters. „In Gerlingen müssen wir aber auch immer damit rechnen, auf Relikte aus der Jungsteinzeit zu stoßen“, sagt der Grabungsleiter. Überraschend sei aber der gute Zustand der gefundenen Knochen.

Allerdings gibt es dafür auch eine Erklärung. Das Skelett lag nur etwa 70 Zentimeter unter der heutigen Oberfläche. Die Schädelknochen sind eingedrückt, vom Becken ist fast nichts mehr vorhanden. Dafür liegen die Gebeine von Händen, Armen und Füßen fast wie in einem anatomischen Lehrbuch angeordnet in der Erde. Aus den Grabbeigaben, unter anderem ein steinerner Faustkeil, schließen die Wissenschaftler, dass es sich um einen etwa 30 bis 40 Jahre alten und etwa 165 Zentimeter großen Mann gehandelt haben muss. Die Fundstätte liegt auf dem Teil des Grundstücks, der noch nie bebaut war. Deshalb habe das Skelett überhaupt noch im Boden gelegen.

Wenn die Gebeine aus Gerlingen auch nicht der sensationelle archäologische Fund sind, unbedeutend sind sie nach Ansicht von Scheschkewitz keinesfalls. Je mehr Knochen die Archäologie aus dieser Zeit untersuchen könne, umso genauer werde die Vorstellung davon, wie die Menschen vor 6000 Jahren gelebt hätten. Schon heute sei es möglich, genaue Antworten auf die Ernährung, die Wanderungsbewegungen oder auf Verwandtschaftsbeziehungen zu geben. In 20 Jahren, davon geht Scheschkewitz aus, stehe noch ein weit größeres Spektrum an Analysemethoden zur Verfügung. Um sie nützen zu können, sei es wichtig, viele alte Knochen zu bergen und einzulagern. Vielleicht, so der Grabungsleiter, sei es eines Tages sogar möglich, Aussagen über die Jenseitsvorstellungen der Menschen in der Jungsteinzeit zu machen.