Hans-Otto Härle ist selbst Hundehalter. Dass im Osten Kornwestheims Rehe auftauchen, bereitet ihm Sorgen. Foto: privat, dpa/Boris Roessler

Nahe des Pattonviller Flugplatzes ist vor wenigen Tagen ein Kitz zu Tode gekommen, offenbar wurde es von Hunden gerissen. Jagdpächter Hans-Otto Härle sieht in dem Auftauchen von Rehwild im dortigen Areal ein Problem

Kornwestheim - Das Foto, auf dessen Abbildung hier bewusst verzichtet wird, ist nur schwer zu ertragen. Der Körper des jungen Rehs ist schlimm zugerichtet, der Kopf und Teile des Halses sind abgerissen. Auch an den Hinterläufen finden sich massive Bissspuren. Das Bild aufgenommen hat der Kornwestheimer Jagdpächter Hans-Otto Härle. Er zog den Kadaver vom Ort des Geschehens, dem Zaun zwischen Freizeitpark und Flugplatz Pattonville, auf einen Parkplatz, um ihn genauer zu untersuchen. Benachrichtigt hatte ihn zuvor die Polizei.

Kadaver ist noch warm, als ihn der Jagdpächter untersucht

Als sich Härle den Überresten des weiblichen Rehkitzes annahm, seien diese noch warm gewesen, berichtet er. „Es ist also erst kurz vorher getötet worden.“ Er ist sich sicher: Das Tier ist von einem Hund oder mehreren Hunden gerissen worden. Doch der Tod des Rehs hat seiner Ansicht nach weitere Gründe, die viel weitreichender sind als die reine Todesursache – ein Biss in die Kehle oder ins Genick nach einer Hatz über die Felder.

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Härle, selbst Hundehalter, stellt klar: Er will keinesfalls pauschalisieren. Er macht bereits seit vielen Jahren so seine Erfahrungen mit den Vierbeinern und ihren Herrchen und Frauchen – mal gute, manchmal sind es allerdings auch weniger gute. Viele hätten ihre Tiere sehr wohl im Griff und auch an der Leine. „Aber andere lassen ihren Hund einfach springen, bis er viel zu weit weg ist“, klagt er. „Wie soll man denn da noch auf das Tier einwirken?“ Vor Kurzem sei ihm berichtet worden, dass zwei Rottweiler südlich des Gänsbachs ebenfalls Rehen nachgejagt seien. „Der Halter sei wohl etwa einen Kilometer weg gewesen. Und Rottweiler sind ja nun keine Schoßhunde.“

Ist die Einführung eines Hundeführerscheins sinnvoll?

Nicht nur aufgrund solcher Erlebnisse und Berichte fordert Härle die schnelle Einführung eines sogenannten „Hundeführerscheins“. „Das muss die Landesregierung endlich auf den Weg bringen“, so der Jagdpächter. Denn er selbst könne nur wenig ändern. „Wenn man die Leute freundlich anspricht und ihnen sagt, dass die Hunde eben nicht jederzeit auf die Felder rennen dürfen, dann wird einem selber noch mit der Polizei gedroht“, erzählt er von einem besonders frustrierenden Erlebnis.

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Was tun? Nachgefragt bei jemandem, der Bescheid weiß. Andrea Hoffarth ist Vorsitzende des Hundesportvereins Kornwestheim. Sie sagt: „Da wir bisher keinerlei Kenntnis darüber haben, was von den Behörden geplant ist, ist es schwer, die Frage nach einem Hundeführerschein zu beantworten.“ Eine Theorieprüfung vor der Anschaffung eines Hundes, um über dessen Grundbedürfnisse, Erziehung, Verhalten und Körpersprache im Vorfeld informiert zu sein, sei aber sicherlich sinnvoll.

Hundesportverein empfiehlt, die Tiere anzuleinen

„Jeder Hundehalter, der seinen Hund in dafür freigegebenen Gebieten ohne Leine laufen lässt, sollte ihn immer im Blick behalten und auch die Umgebung beobachten, um den Hund rechtzeitig zurückzurufen“, sagt Hoffarth. Freilaufende Hunde sollten gelernt haben, dass sie sich nicht weit vom Besitzer entfernen dürfen. In wildreichen Gebieten, wie zum Beispiel in Wäldern und stark mit Gehölz bewachsenen Arealen, empfehle der Hundesportverein, die Tiere sicherheitshalber anzuleinen – vor allem auch gerade während der Brut- und Setzzeit.

Denn: „Fast jeder Hund hat einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Jagdtrieb, wobei die wenigsten Hunde letztlich auch wirklich Rehe reißen“, sagt Andrea Hoffarth. Der Jagdtrieb könne mit guter Erziehung, Rückruftraining, Schleppleinentraining und Anti-Jagdtraining stark reduziert werden. „Ein Restrisiko bleibt“, fügt sie hinzu.

Aufeinandertreffen von Reh und Hund hat noch weitere Gründe

Nun gibt es das Aufeinandertreffen von Hund und Reh im Kornwestheimer Osten aber ohnehin erst seit Kurzem. Wie kommt das? Hans-Otto Härle sagt: „In dieser Ecke gab es nie Rehe.“ Er hat eine Vermutung – und hier folgt das zweite Problem. Auf den Ebenen des Gewanns Vördere sind viele Flächen gerodet worden. Die Stadt Stuttgart, auf deren Gemarkung sich das Gebiet befindet, will das Areal kurz halten, keine Büsche oder Sträucher wachsen lassen. „Dort gibt es wohl seltene Heuschrecken“, sagt Härle, der allerdings befürchtet, dass sich der Bereich so zu einem „Refugium für Erholungssuchende“ entwickeln könnte.

Und so schwinden laut Härle auch die Rückzugsorte fürs Rehwild. Die Tiere weichen aus, suchen sich andere Plätze zum Verweilen – und kommen jetzt auch ab und zu den Wegen nahe, die schon lange als bewähre Gassi-Routen dienen. „Viele Rehe sind es nicht“, relativiert der Jagdpächter, der in Kornwestheim bereits seit 56 Jahren als Jäger und auch als Wildtierschützer fungiert. Schließlich gebe es auf der Gemarkung der Stadt kaum Wald. Dennoch könne es niemand wollen, dass das Wild über die Felder gehetzt werde.

Polizei klärt über Fälle und Strafen auf

Fälle
 Laut Peter Widenhorn, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, seien Fälle, in denen Wildtiere von Hunden gejagt werden, in diesem Jahr bislang nicht überproportional oft vorgekommen. „Neben dem offenbar gerissenen Reh in Pattonville wissen wir noch von einem weiteren Verdachtsfall in Markgröningen am 7. Januar“, antwortet er gegenüber unserer Zeitung.

Sanktionen
 Erlege ein Hund ein Reh oder ein anderes Wildtier, gelte dies laut Polizei-Pressesprecher Peter Widenhorn als Ordnungswidrigkeit nach dem Landesjagdgesetz. Je nach Fall könne die Geldbuße jedoch „durchaus vierstellig“ ausfallen. Eine Straftat liege hingegen vor, wenn „jemand bewusst seinen Hund auf Rehe hetzt“. Dann spreche man vom Tatbestand der Wilderei. Generell sei es für die Polizei allerdings schwierig, solchen Angelegenheiten nachzugehen und Personen dingfest zu machen.