Staaten müssen zwar für saubere Luft in den Städten sorgen. Sie können aber nicht auf Schadenersatz verklagt werden, wenn die Gesundheit eines Menschen darunter leidet. Foto: Marijan Murat//dpa/Marijan Murat

EU-Staaten sind zwar zur Einhaltung von Grenzwerten bei Schadstoffen verpflichtet, Schadenersatzansprüche lassen sich aber nicht ableiten.

Wer wegen verschmutzter Luft krank geworden ist, kann vom Staat keinen Schadenersatz verlangen. Dieses Urteil fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg (Rechtssache C-61/21). Zwar existierten seit Jahren europäische Richtlinien zur Luftqualität, das gebe aber Einzelpersonen dennoch nicht das Recht, Schadenersatz gegenüber einem Staat erstreiten zu können.

Allerdings werden die Regierungen mit diesem Richterspruch vom EuGH nicht vollständig aus der Haftung entlassen. Staaten können unter bestimmten Umständen auf der Grundlage nationaler Vorschriften verklagt werden. In ihrer Erklärung erinnerten die Richter auch daran, dass Einzelpersonen die Möglichkeit haben, lokale und regionale Behörden vor Gericht zu bringen, um etwa einen Luftreinhaltungsplan zu erstreiten. Das schloss der EuGH ausdrücklich nicht aus. Dazu zählen zum Beispiel Luftreinhaltungspläne oder Diesel-Fahrverbote.

Umwelthilfe ist mit dem Urteil zufrieden

Daher wertete die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die seit Jahren immer wieder für bessere Luft klagt, das Urteil trotzdem als gutes Zeichen: „Wir fühlen uns jetzt erstmal bestätigt, dass unsere bisherige Klage-Strategie zur Durchsetzung der sauberen Luft ausdrücklich bestätigt wurde, nämlich dass Bürger das Recht haben, „erforderliche Maßnahmen“ einzuklagen“, sagte der DUH-Geschäftsführer, Jürgen Resch. Der EuGH habe zwar in diesem Fall gegen Schadenersatz entschieden, schließe das aber in anderen Fällen nicht aus.

Klage eines Mannes für bessere Luft

Verhandelt wurde von den Richtern in Luxemburg die Klage eines Mannes aus Paris. Im Ballungsraum rund um die französische Hauptstadt wird regelmäßig auch von den Behörden vor der starken Luftverschmutzung gewarnt. Der Franzose argumentierte, dass diese übermäßige Umweltbelastung seine Gesundheit geschädigt habe und wollte vom französischen Staat 21 Millionen Euro Schadensersatz. Seiner Ansicht nach muss der Staat haften, weil er nicht dafür gesorgt habe, dass EU-weite Grenzwerte eingehalten werden.

Frankreich und Deutschland bereits verklagt

Die Aussichten auf ein Urteil im Sinne des Mannes schienen gut, denn auch die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof folgte in ihren Schlussanträgen vor einigen Monaten dieser Ansicht. Frankreich wurde vom EuGH bereits 2019 wegen zu schlechter Luftqualität verurteilt, Deutschland im vergangenen Jahr. Die Grenzwerte für potenziell gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid wurden in Ballungsgebieten regelmäßig überschritten. Stickstoffdioxid entsteht unter anderem in der Industrie, bei der Wärmeerzeugung und im Straßenverkehr.

Staaten müssen für saubere Luft sorgen

Anders als von vielen erwartet, hatten die Richter nun aber eine andere Rechtsauslegung als die Generalanwältin. Die Luftqualitätsrichtlinien verpflichteten zwar die EU-Staaten, für saubere Luft zu sorgen. Diese Verpflichtungen dienten jedoch dem allgemeinen Ziel, die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt zu schützen.

In Deutschland sieht das für Umweltfragen zuständige Bundesministerium in der EuGH-Entscheidung eine wichtige Klarstellung. Der Gerichtshof habe hier für „Klärung und Orientierung gesorgt“, schrieb ein Sprecher am Donnerstag. Gleichwohl müsse es Bürgerinnen und Bürgern möglich sein, nationale Behörden zu Maßnahmen für saubere Luft zu bewegen, hieß es weiter. Dies sei in Deutschland gewahrt: Wenn etwa kommunale Behörden keine ausreichenden Luftreinhaltepläne aufstellten, stehe Betroffenen der Rechtsweg offen.