Wenn die Konjunktur schwächelt, haben Arbeitsrichter sogleich gut zu tun: Nach dem Rekordtief im Jahr 2018 müssen die Gerichte in Baden-Württemberg nun wieder mehr Verfahren bewältigen. Von Spitzenwerten wie im Jahr 2009 sind sie aber weit entfernt.
Stuttgart - Die Arbeitsgerichte sind der Seismograf der wirtschaftlichen Entwicklung: Kaum verschlechtert sich die Konjunkturlage, macht sich dies bei ihnen bemerkbar. An den neun Arbeitsgerichten in Baden-Württemberg ist 2019 die Zahl der erstinstanzlichen Verfahrenseingänge um 6,5 Prozent von 36 732 auf 39 137 gestiegen.
Die Zahl der am Jahresende unerledigten Verfahren nahm zu auf 12 716 Verfahren (Vorjahr 10 620). Die durchschnittliche Dauer blieb in den Urteilsverfahren mit 2,8 Monaten konstant. Dies sei ein günstiger Wert, sagt ein Sprecher des Landesarbeitsgerichts (LAG). Trotz des Verfahrensanstiegs hätten die Gerichte den im Arbeitsrecht sehr wichtigen schnellen Rechtsschutz gewährleisten können.
Wandel zu E-Mobilität wirkt sich aus
Der Anteil der Verfahren, die in erster Instanz durch gerichtlichen Vergleich beigelegt werden konnten, lag mit gut 74 Prozent etwas über dem Niveau des Vorjahres. Das sogenannte Güterichterverfahren zur einvernehmlichen Beilegung des Rechtsstreits trug dazu bei, dass auf den Gang durch die Instanzen oftmals verzichtet werden konnte. Durch eine streitige Entscheidung wurde jedes 20. Urteilsverfahren (5,2 Prozent) erledigt.
Auch der Wandel der Automobilindustrie zur Elektromobilität wirkt sich aus. Auffällig gab es gerade im vierten Quartal mehr Eingänge speziell im Arbeitsgericht Stuttgart, weil die Autohersteller in der Region ein großes Gewicht haben. Die relativ niedrige Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg von derzeit 3,5 Prozent bedeutet zwar, dass noch Nachfrage nach Arbeitskräften besteht. Doch zeigt sich der größere Andrang an den Gerichten stets erst mit einem Verzug in der Arbeitslosenstatistik. „Wenn Unternehmen des Automobilbaus und Zulieferer auf einen klaren Sparkurs setzen, wird dies nicht spurlos an den Arbeitsgerichten vorbeigehen“, prophezeit der Gerichtssprecher. Am LAG hat sich die nachlassende Konjunktur noch nicht mit höheren Eingangszahlen bemerkbar gemacht, weil die Verfahren dort erst mit Verzug ankommen.
Spitzenwerte von 2003 und 2009 weit entfernt
Im langfristigen Vergleich ist das Niveau allerdings sehr niedrig. 2018 gab es ein historisches Tief, das nun wieder verlassen wurde. Spitzenwerte wurden 2003 nach dem Platzen der New-Economy-Blase mit 68 547 Eingängen sowie in der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009 mit 58 952 Verfahren erzielt. Die Zahl der Richter im Land ist seither gewachsen. Allerdings seien die Fälle heute auch umfangreicher und komplexer als damals – und damit schwieriger zu bearbeiten, wie der LAG-Sprecher feststellt.