Mit Wasserwerfern waren die Beamten am „Schwarzen Donnerstag“ gegen die Demonstranten vorgegangen. (Archivfoto) Foto: dpa

Der harte Einsatz der Polizei am 30. September 2010 war laut dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart rechtswidrig. Mit dem Gerichtsentscheid steigt die Chance der sieben Kläger auf Schadenersatz.

Stuttgart - Nun ist es amtlich: Der überharte Polizeieinsatz am 30. September 2010 gegen Stuttgart-21-Demonstranten mit weit mehr als 100 Verletzen war rechtswidrig. Beim Protest gegen die Baumrodungen im Schlossgarten habe es sich rechtlich gesehen um eine vom Grundgesetz besonders geschützte Versammlung gehandelt, entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart am Mittwoch. Für ein Vorgehen der Polizei gegen Versammlungen gebe es hohe Hürden. Zwar dürften die Beamten natürlich einzelne Straftaten verfolgen, nicht aber die gesamte Versammlung mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray beenden. Schon während der Verhandlung hatte das Gericht zudem erklärt, da sei wohl „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“ worden.

Das Land werde die Entscheidung „akzeptieren“, ließ der heutige Innenminister Reinhold Gall (SPD) mitteilen. „Als Innenminister und oberster Dienstherr der Polizei Baden-Württemberg bedauere ich natürlich, dass durch unverhältnismäßiges Einschreiten der Polizei Menschen zu Schaden gekommen sind.“ Der Einsatz im Herbst 2010 lief noch unter der Regie der CDU/FDP-Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU). Ob und wie sehr dieser auf einen harten Einsatz drängte, daran beißt sich der inzwischen zweite Untersuchungsausschuss des Landtags die Zähne aus.

Chancen der Opfer auf Schadenersatz steigt

Geklagt hatten sieben Opfer von damals, sechs Männer und eine Frau, darunter der heute nahezu erblindete Dietrich Wagner, der am „Schwarzen Donnerstag“ nach heftigen Druckstößen aus einem Wasserwerfer gegen seinen Kopf aus den Augen blutete. Ein Foto, wie er am 30. September 2010 gestützt auf Helfer den Stuttgarter Schlossgarten verletzt, ging damals um die Welt.

Mit der Entscheidung des Gerichts steigen nun die Chancen der Opfer von damals auf Schadenersatz. Wagners Anwalt Frank-Ulrich Mann - am Mittwoch sichtlich zufrieden mit der Entscheidung - hofft für seine Mandanten auf eine außergerichtliche Einigung. Man warte auf Signale vom Land. Ansonsten sei der erneute Gang vors Gericht vorgezeichnet. Für Wagner wolle er eine Summe von 100.000 Euro ansetzen. „Wir sind ja nicht in Amerika“, wo es um ganz andere Summen gehe.

“Guter Tag für die Demokratie“

Wagner selbst sprach von einem „guten Tag für die Demokratie“ und hofft zudem auf eine „ehrliche Entschuldigung des Landes beim Volk“ für das überharte und nun auch unrechtmäßige Vorgehen der Polizei.

Beim Polizeieinsatz am 30. September 2010 waren weit mehr als 100 Menschen durch Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt worden. Tausende Demonstranten waren in den Park geströmt, als dieser für die ersten Baumrodungen im Zuge des Umbaus am Hauptbahnhof geräumt werden sollten. Der „Schwarze Donnerstag“ gilt als Symbol für den jahrelangen Kampf gegen das milliardenschwere Bahnprojekt, bei dem der Stuttgarter Hauptbahnhof laut Bahn bis 2021 in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut wird.