Eine halbe Tonne Zahngold haben Patienten in den vergangenen 21 Jahren gespendet. Foto: Jan Reich

Es ist eine unglaubliche Zahl: Eine halbe Tonne Zahngold haben Patienten in den vergangenen 21 Jahren gespendet. Der Stuttgarter Zahnarzt Gerhard Cube hatte die Idee, zahlreiche Kollegen unterstützen ihn. Insgesamt sammelten sie so 4,1 Millionen Euro für das Olgäle und den Förderkreis krebskranke Kinder.

Es ist eine unglaubliche Zahl: Eine halbe Tonne Zahngold haben Patienten in den vergangenen 21 Jahren gespendet. Der Stuttgarter Zahnarzt Gerhard Cube hatte die Idee, zahlreiche Kollegen unterstützen ihn. Insgesamt sammelten sie so 4,1 Millionen Euro für das Olgäle und den Förderkreis krebskranke Kinder.

Stuttgart - Der goldene Zahn, er ist ein Statussymbol. Wer die Klappe aufreißt und es blinken lässt, zeigt, ich habe mehr Reichtum in den Zähnen als ihr auf dem Konto. Rapper mögen solch Prahlerei besonders. Flavor Flav von Public Enemy hat sich seinen Namen in Gold gravieren, über die Zähne montieren lassen und zeigt den Schriftzug nun bei jedem Lächeln. Dafür ließ er sich sogar seine gesunden Zähne abfeilen. Der Narziss zeigt Goldmund, so wie Miley Cyrus oder Madonna. Auch Johnny Depp mag seine Goldzähne, er bekam sie eingesetzt für die Rolle des Piraten Jack Sparrow in „Fluch der Karibik“. Sollte er irgendwann wegen Altersschwäche einmal nicht mehr über die Leinwände segeln und die Goldzähne los werden wollen, könnte man ihm eine Adresse in Stuttgart empfehlen. Schlossstraße in Stuttgart, da ist die Praxis von Gerhard Cube. Dort könnte Depp sein Gold loswerden und für einen guten Zweck spenden.

Der Stuttgarter Zahnarzt Gerhard Cube. Foto: Jan Reich

So wie es schon ganz viele Patienten getan haben. 2012 konnten Cube und 105 andere Zahnärzte 15,2 Kilo Zahngold sammeln. Das erbrachte 248 476,28 Euro. Je 20.000 Euro bekommen die Anästhesisten, um ein neues Narkose-Überwachungsgerät zu kaufen, sowie die Kindergastroenterologie, in der Kinder mit chronischen Krankheiten an Magen, Darm und Leber behandelt werden. Den Großteil erhält der Förderkreis krebskranke Kinder, der damit ein Familienhaus, das sogenannte Blaue Haus im Herdweg finanziert. Unweit des künftigen Platzes der Kinderklinik Olgahospital können in den 18 Appartements Familien krebskranker Kinder wohnen, während die Kinder behandelt werden. „Der Verein hat viele Aufgaben. Neben dem Blauen Haus wird in den nächsten Monaten vor allem die Gestaltung des Raums der Stille, einem Rückzugsort, im neuen Olgahospital Geld kosten“, sagt der Förderkreis-Vorsitzende Professor Stefan Nägele. „Daher freuen wir uns besonders über die großartige Unterstützung durch die Zahnaltgoldspende.“

534,05 Kilo Zahngold im Wert von 4,1 Millionen Euro

Schon seit 21 Jahren beweisen Cube und Kollegen, dass Metalllegierungen „äußerst nützliche Nebenwirkungen haben“, wie er sagt. Das ist gewaltig untertrieben. Seit 1992 sammelten sie 534,05 Kilo Zahngold im Wert von 4,1 Millionen Euro. Und dabei ist noch nicht einmal die Summe von 2013 enthalten, da steht die Abrechnung noch aus. „Das ist schon gewaltig“, freut sich Cube, „aber das Lob gebührt nicht uns, sondern den Patienten: Sie spenden das Gold.“

Doch ein Lob kann er nicht abwehren: Er war der Ideengeber. Seine Praxis ist nicht weit entfernt vom Olgäle. Früher habe es dort keine zahnärztliche Betreuung gegeben, erzählt Cube, die jungen Patienten mussten zum Zahnarzt außer Haus. Viele kamen zu ihm, die krebskranken Kinder geschwächt und erschöpft nach der Chemotherapie, besonders geschützt vor Infektionen. „Mir sind da fast die Tränen gekommen“, sagt Cube, „und selbst heute nimmt mich das noch mit, wenn ich daran denke.“ Er wollte helfen, und gemeinsam mit zwei Kollegen aus seiner Praxis begann er, die Patienten um ihre Brücken und Kronen zu bitten.

Im ersten Jahr kamen gut drei Kilo zusammen. Die Idee sprach sich herum, immer mehr Zahnärzte beteiligten sich. Im Jahr 2012 waren es 105 Kollegen, die 15,2 Kilo sammelten. Cubes Frau Eleonore koordiniert die Aktion, die Firma BEGO in Bremen scheidet das Material, entfernt also das Gold. Unentgeltlich.

Allerdings hat der Deutsche nicht mehr gerne Gold im Mund. Im Unterschied zu Rappern und Filmstars mag hier kaum noch jemand mit goldigem Lächeln protzen. Jüngst hatte Cube eine junge Frau aus Osteuropa in der Praxis, die sich zwei goldene Schneidezähne entfernen ließ. In der Heimat hatte man sie ihr als Statussymbol aufgezwängt, hier wollte sie so nicht mehr herumlaufen.

Zwar lasse sich Gold wunderbar verarbeiten, sagt Cube, und sei anderen Materialien wie Keramik überlegen, doch gefragt ist es nur noch selten. Und je weniger Gold verarbeitet wird, desto weniger Gold können Cube und Kollegen Jahre später sammeln. So geht die Menge zurück, 2004 waren es noch knapp 45 Kilo, heuer sind es gut 15 Kilo. Dank des hohen Goldpreises bleiben die Erlöse aber stabil. Und dank der Patienten: Sie spenden auch mal Goldschmuck. Und eine ältere Dame brachte gar einen goldenen Löffel vorbei.