Kulturbeflissene kennen die Kleine Königstraße als Adresse des Alten Schauspielhauses. Die meisten Bummler werden allenfalls ahnen, wo sie zu finden ist. Foto: Ina Schäfer

Die wenigsten kennen ihren Namen, im Rathaus scheint sie vergessen: Die Kleine Königstraße zwischen Marienstraße und Tübinger Straße ist das einzige Straßenstück, das im Gerberviertel unsaniert bleibt.

S-Mitte - Abgesehen von Kulturbeflissenen, werden die meisten Stuttgarter nicht einmal ahnen, dass die Regentin über den Samstagseinkauf in Stuttgart ein verstecktes Schwesterchen hat, das die Kleine im Namen trägt: die Kleine Königstraße. Geschweige denn, dass der durchschnittliche Einkaufsbummler wüsste, wo das Sträßchen zu finden ist.

Die Kulturbeflissenen kennen die Kleine Königstraße als Adresse des Alten Schauspielhauses. Allen anderen ist die recht genau 100 Meter lange Fußgängerzone allenfalls als namenlose Abkürzung ein Begriff, vielleicht für einen Hamburger bei Mc Donalds auf dem Weg in die Boa. Die Kleine Königstraße ist das Stückchen Fußweg, das die Marien- mit der Tübinger Straße verbindet.

Künftig wird sie nicht nur das kleine, sondern auch das unübersehbar hässliche Schwesterchen der Königstraße sein, denn es scheint, als sei das Stückchen Fußgängerzone auch im Stuttgarter Rathaus zur Unbekannten geworden. Der Beschluss, die Fußgängerzone der Marienstraße zu verschönern, fiel jüngst – mit Beteiligung eines Planungsbüros und zum Preis von etwas mehr als 800 000 Euro. Gleich nebenan ist vergangenen Herbst ein Teil der Tübinger Straße nach monatelangen Bauarbeiten als „Shared Space“ feierlich eröffnet worden, als eine Art verkehrsberuhigte Zone. Der zweite Teil bis zur Paulinenbrücke wird folgen, samt dem Platz unter der Brücke. Vergleichbares gilt für die Sophienstraße. Sie soll teilweise zur Einbahnstraße und ebenfalls verschönert werden. Die Pläne dafür hat sich vor ein paar Wochen der Bezirksbeirat erklären lassen. Für die Sophienstraße ist gar ein Büro mit einer „künstlerischen Beratung“ beauftragt worden.

Die Straßen im Viertel werden für gut vier Millionen umgebaut

Insgesamt ist der Umbau der Straßen im Gerberviertel auf eine Summe zwischen vier und viereinhalb Millionen Euro kalkuliert. Die wird nicht zuletzt ausgegeben, weil der Bauherr des neuen Einkaufszentrums Gerber sich über eine für seine Kundschaft unattraktive Umgebung beklagt hat – und Teile der Umbaukosten übernimmt. Auf der Internetseite des Projektbetreibers Phoenix werden die Umbauten denn auch ausdrücklich gelobt.

Womöglich ist der eigentliche Nachteil der Kleinen Königstraße nicht der, dass sie das verborgene Schwesterchen ist. Sie ist so ziemlich die einzige Straße im Gerberviertel, die nicht am neuen Einkaufszentrum vorbei oder darauf zu führt.

„Wir bauen sämtliche Straßen rund ums Gerber um“, sagt denn auch Nicolaus Welker vom Tiefbauamt. Nur „die Kleine Königstraße ist nicht dabei, das macht wenig Sinn“, sagt Annegret Breitenbücher, die für die Grünen im Bezirksbeirat sitzt. Das Gesamtbudget für den Straßenumbau reicht nicht, um dem zumindest für absatzbewehrte Frauen inzwischen unangenehm holprigen Stückchen Weg wenigstens einen neuen Belag zu spendieren, obwohl der Bezirksbeirat den Zustand schon lange beklagt und „das Alte Schauspielhaus es verdient hätte, dass es nicht nach Hinterhof riecht“, wie die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle sagt. Klarer formuliert es Heinz Reinboth von der Interessengemeinschaft Königstraße – der großen Königstraße: Bliebe das Stückchen Fußgängerzone tatsächlich unsaniert, „wäre das eine Lachnummer“, sagt er.

Sofern der Gemeinderat sich nicht erbarmt, wird dem Alten Schauspielhaus der Hinterhofmief erhalten bleiben. Die Ausgabe hat das Tiefbauamt nicht mehr im aktuellen Etat,und will sie sich während der Haushaltsberatungen im nächsten Herbst genehmigen lassen. Zustimmung oder Ablehnung – wie bei allen Posten im Haushalt – ist selbstverständlich offen.