Vielen Menschen ist es wichtig, dass die Gräber ihrer Angehörigen gepflegt und geschmückt aussehen. Doch mitunter verschwinden Schnittblumen und sogar eingepflanzte Stauden spurlos. Das rät die Polizei.
Zwar ist der Wert des Diebesguts häufig nicht sehr hoch, doch darum geht es den Angehörigen der Verstorbenen zunächst gar nicht. Immer wieder wird auf Friedhöfen in der Region gestohlen. Besonders beliebt bei den Langfingern sind frische Schnittblumen oder Gestecke, die auf den Gräbern niedergelegt wurden. Neben dem finanziellen Schaden, der den Hinterbliebenen entsteht, ärgert sie vor allem der fehlende Respekt der Täter vor diesen Orten und ihren verstorbenen Verwandten und Freunden.
Erst vor kurzem erschien im Gemeindeblatt von Wendlingen ein ausdrücklicher Hinweis: „In letzter Zeit häufen sich wieder die Beschwerden von Grabpflegenden, dass die frisch angepflanzten Blumen und Sträucher von den Gräbern gestohlen werden“, heißt es darin. Und: „Die Friedhofsbesucher werden gebeten, sich der Würde des Ortes entsprechend zu verhalten.“ Auf Nachfrage bei der Wendlinger Kommunalverwaltung erklärt eine zuständige Mitarbeiterin, dass in diesem Jahr eine Handvoll Beschwerden eingegangen sei. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass nur ein Bruchteil der tatsächlichen Diebstähle gemeldet wird.
In erster Linie Schnittblumen
In den vergangenen Monaten tauchten Fälle wie diese auch in den Medien auf. So berichtete Ende November vergangenen Jahres der Südwestrundfunk über die Pietätlosigkeit auf dem Heilbronner Hauptfriedhof. Weil dort zum Saisonwechsel und zu Gedenktagen Gräber bestohlen wurden, hängte die Verwaltung ein Schild mit der Aufschrift „Lasst den Toten ihre Blumen“ auf. Denn nicht nur auf abgelegenen Anlagen wird geklaut, auch zentrale Friedhöfe trifft es, wie etwa den Ebershaldenfriedhof in Esslingen.
Michael Botsch, ein Sprecher der Esslinger Stadtverwaltung, bestätigt, dass diese Ruhestätte zwischen Klinikum und Neckarforum besonders betroffen ist. Generell würden in erster Linie Schnittblumen gestohlen, sagt er. „Derzeit werden jedoch auch eingepflanzte Blumen, Gehölze und sogar Zwiebelgewächse entwendet.“ Zwar sei kein Trend zu beobachten, so Botsch. Jedoch gebe es immer wieder Phasen, in denen die Fälle vermehrt gemeldet würden. Zum Beispiel im Frühjahr, wenn die Pflanzen blühen, oder wenn Gedenktage anstehen und die Gräber besonders geschmückt sind. Dass nur wenige Fälle angezeigt werden, vermutet neben der Wendlinger auch die Verwaltung in Eislingen (Landkreis Göppingen). Im Oktober 2022 gab die Stadt eine Mitteilung heraus, die eine ähnliche Lage wie in Wendlingen und Esslingen beschreibt. Um dem entgegenzuwirken, dreht der Vollzugsdienst nun öfters Runden auf den Anlagen. Viel mehr können die Kommunen nicht tun, Überwachungskameras seien aus rechtlichen Gründen nicht erlaubt. „Beim Friedhofsamt sind seit Oktober keine Meldungen mehr über Diebstähle eingegangen“, sagt Linda Borlinghaus, die Sprecherin der Stadt Eislingen. „Das bedeutet aber nicht, dass nichts gestohlen wurde, denn nicht alle Betroffenen melden die Diebstähle.“
Gräber teils mehrfach bestohlen
Meist würden Gräber heimgesucht, die nicht an stark frequentierten Hauptwegen liegen, sagt Borlinghaus, manche Gräber wurden sogar mehrfach bestohlen. „Eventuell stehen auf diesen die Lieblingsblumen des Diebes“, vermutet die Sprecherin. Beobachtungen wie diese stützen auch eine These, die in Wendlingen herrscht. Demnach sei es auch denkbar, dass in einzelnen Fällen private Hintergründe, etwa ein Streit mit den Verstorbenen oder deren Hinterbliebenen, die Diebe zu solchen Taten bewegt.
„Fassungslos über Dreistigkeit“
Doch an wen wendet man sich eigentlich, wenn man betroffen ist? Die Antwort ist allseits dieselbe: Den Diebstahl bei der Polizei anzeigen, immerhin handelt es sich um eine Straftat. Vermutlich gehen aber nur wenige diesen Schritt, wenn ein paar Schnittblumen gestohlen werden. „Die Polizei ist immer der erste Ansprechpartner für Opfer eine Straftat“, sagt Max-Niklas Wünsche vom Polizeipräsidium Reutlingen. „Dies ist völlig unabhängig vom Wert des Diebesguts. Daher raten wir immer dazu, Anzeige zu erstatten.“ Die Täter zu finden, ist aber schwierig. Laut Wünsche werden Ermittlungen dadurch erschwert, dass es oft keine Zeugen gibt und die genaue Tatzeit nicht bekannt ist.
Egal, welches Motiv dahinter steckt, Leidtragende sind die Angehörigen. Borlinghaus sagt: „Sie sind oftmals fassungslos über die Dreistigkeit. Sie sind traurig, dass das liebevoll gestaltete Grab verunstaltet wird, aber auch sehr wütend über die Pietätlosigkeit in unserer Gesellschaft.“
Diebstähle auf Friedhöfen
Ausmaße
Insgesamt 16 Diebstähle sind 2021 auf Friedhöfen im Kreis Esslingen von der Polizei erfasst worden. Im Jahr davor waren es zwölf Fälle, 2018 immerhin 13. Die Zahl ist also recht konstant und scheinbar niedrig. Vermutlich wird aber nur ein Bruchteil der tatsächlichen Fälle angezeigt.
Totenruhe
Meist ist es verboten, Grabstätten unberechtigt zu betreten. Was erlaubt ist, bestimmt die Friedhofsordnung, die oft am Eingang ausgehängt ist.