Frankreich ist stolz auf seine U-Boot-Flotte. Nun ist ein Milliardenvertrag mit Australien geplatzt, die Folge sind schwere diplomatische Verwerfungen. Foto: dpa/Chief Petty Officer Joshua Karst

Im U-Boot-Streit zwischen Paris und den USA sind die Rollen scheinbar klar verteilt. Auch die EU positioniert sich gegen Washington. Doch das Thema ist komplexer als es auf den ersten Blick scheint.

Paris - Emmanuel Macron schweigt. Das ist für den französischen Präsidenten eher ungewöhnlich. Stattdessen schickt er seine Minister in die Nachrichtensendungen, die dort ihrer Empörung über den geplatzten U-Boot-Deal mit Australien freien Lauf lassen. Außenminister Jean-Yves Le Drian spricht abwechselnd von Verrat, Lügen und „Dolchstoß“ und US-Präsident Joe Biden wird mit seinem ungeliebten Vorgänger Donald Trump verglichen. Die Wut über das überraschende Indopazifik-Bündnis zwischen den USA, Großbritannien und Australien scheint allerdings gerechtfertigt, hat es doch schwerwiegende Folgen für Frankreichs Rüstungsindustrie. Anstelle der zwölf Diesel-U-Boote aus Frankreich ordert Australien nun atombetriebene U-Boote aus den USA. Der französischen Rüstungsindustrie entgeht ein Milliardengeschäft.

Die EU springt Frankreich bei

Selbst die Europäische Union springt Frankreich bei. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat den U-Boot-Deal als „nicht akzeptabel“ bezeichnet. Aus Protest wurden die Vorbereitung für ein Handels- und Technologiegespräch mit den Vereinigten Staaten verschoben. Die Rollen der Guten und der Bösen scheinen aus Sicht der Europäer leicht auszumachen. Doch die Lage ist wesentlich komplizierter, als sie auf den ersten Blick erscheint.

Emmanuel Macron schweigt nicht nur, weil es ihm angesichts des ruppigen Vorgehens der USA die Sprache verschlagen hat. Er schweigt auch, weil der Staatschef die eigene Machtlosigkeit nicht offenbaren will. Denn deutlich wird die Kluft zwischen den von Macron immer wieder postulierten weltpolitischen Ambitionen der französischen Außenpolitik und den realen Verhältnissen.

In Frankreich läuft der Wahlkampf

Diese Demütigung durch die eigenen Verbündeten bringt den sehr selbstbewusst auftretenden Staatschef auch innenpolitisch in eine schwierige Situation: in Frankreich läuft der Wahlkampf für das Präsidentenamt auf Hochtouren. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen spottet über den „Niedergang der französischen Diplomatie“, die Konservativen fordern den Ausstieg aus dem integrierten Kommando der Nato und das ganz linke Lager sogar den kompletten Ausstieg aus dem Bündnis. „Man kann eine Präsidentschaftswahl nicht mit internationalen Themen gewinnen, aber man kann sie wegen solcher Themen verlieren“, sagt der französische Politologe Pascale Boniface gegenüber dem Sender „France 24“. Schon aus diesem Grund muss Macron den Grad der Empörung hochhalten. Allerdings ist das eine gefährliche Strategie. Will der französische Präsident am Ende nicht als völliger Verlierer dastehen, muss er den USA eine Kompensation für das verloren gegangene Geschäft abringen.

Macron selbst ist nicht zimperlich

Allerdings agiert Emmanuel Macron auf internationalem Parket selbst mit sehr harten Bandagen, wenn es gilt, die eigenen Interessen durchzudrücken. In der Libyen-Krise 2017 handelte er etwa überraschend auf eigene Faust und gegen die internationale Politik, was den erneuten Ausbruch des Bürgerkrieges befeuerte. Seine nicht abgesprochenen diplomatischen Vorstöße in Sachen EU-Politik sind längst legendär, egal ob es um Finanzen oder die politische und militärische Zusammenarbeit geht. Auch seine brachiale Analyse über den „Hirntod“ der Nato überraschte die Verbündeten. Damals ging es Macron um eines seiner Lieblingsthemen: die europäische Souveränität. Immer wieder predigt der französische Präsident, dass Europa seine Verteidigung besser unabhängig von den USA organisieren sollte. Zuletzt hat auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen eine verstärkte militärische Zusammenarbeit der EU-Staaten eingefordert. In Paris mit seinem starken Rüstungssektor wurde diese Mahnung wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Eine heikle Sache auf für die EU

Der Streit Frankreichs mit den USA ist für die EU eine heikle Sache, denn die Orchestrierung der diplomatischen Empörung durch Paris droht die Union weiter zu spalten. Die Länder Osteuropas dürften sich in dem Protest gegen die USA kaum wiederfinden. Das entgangene Milliardengeschäft der französischen Rüstungsindustrie ist ihnen eher egal. Sie vertrauen auf ein gutes Verhältnis zu den mächtigen USA, von denen sie im Konfliktfall mit dem großen Nachbarn Russland mehr Schutz erwarten, als von der notorisch zerstrittenen EU.

Inzwischen haben sich Macron und US-Präsident Biden darauf verständigt, in der heiklen Angelegenheit die Sprachlosigkeit zu durchbrechen wenigsten einmal miteinander zu telefonieren. In ihrem Gespräch bemühten Macron und Biden sich um eine Wiederannäherung und vereinbarten „vertiefte Konsultationen“. Vor allem aber betonte Biden laut einer gemeinsamen Erklärung die „strategische Bedeutung“ Frankreichs und der EU im Indopazifik. Mehr als diese kleinen Schmeicheleien für Paris gab es von US-Seite allerdings nicht. Die erhoffte Entschuldigung der US-Präsidenten blieb aus.