Nicht nur beim Bürgerforum (unser Bild) ist das Interesse groß gewesen. Das geplante Baugebiet im Dittlau treibt die Bevölkerung in Faurndau nach wie vor um. Foto: StZ

Die Schutzgemeinschaft Dittlau wirft der Stadt eine fehlerhafte Berechnung beim Wohnraumbedarf vor. Der Göppinger OB Guido Till weist die Kritik zurück und hält an den Plänen für das Großprojekt in Faurndau fest.

Göppingen - Eigentlich heißt es ja, dass Namen Schall und Rauch seien. Offenbar scheint das auch für Zahlen zu gelten. Zumindest, wenn es um die von der Stadt Göppingen anvisierte Bebauung im Faurndauer Dittlau geht. Klar ist so viel: Auf der dortigen Grün- und Ackerfläche möchte die Verwaltung ein 25 Hektar großes Wohngebiet ausweisen, in dem bis zum Jahr 2030 rund 2000 Menschen eine neue Heimat finden sollen.

Der zusätzliche Wohnraum sei zwingend notwendig, sagen die Verantwortlichen, was daher auch für die bereits angelaufenen vorbereitenden Untersuchungen gelte. Hingegen erklärt die jüngst gegründete Schutzgemeinschaft Dittlau (SGD), in der sich die Gegner des Projekts zusammengeschlossen haben, dass just die Berechnungen der Stadt, die zu dem prognostizierten Bedarf führten, fehlerhaft seien.

So hält die SGD dem Göppinger Oberbürgermeister Guido Till seine Aussage vom Bürgerforum im Dezember vor, als er die Rechnung aufmachte, dass die Bevölkerung der Hohenstaufenstadt bis in zwölf Jahren um etwa 4600 Menschen wachsen werde, wofür 4600 neue Wohneinheiten erforderlich seien. Aus Sicht der Initiative passt dieser Schluss allerdings nicht, da die Planbelegung in der Region Stuttgart bei durchschnittlich 2,15 Menschen pro Wohneinheit liege. Unter dem Strich reduziere sich die Zahl also deutlich. Und zwar auf 1850 Wohneinheiten, womit eine 2000-Einwohner-Trabantensiedlung im Dittlau vollkommen unnötig sei.

Offener Brief der Schutzgemeinschaft Dittlau an Thomas Kiwitt

Dies zumindest steht in einem offenen Brief, den die SGD an Thomas Kiwitt gerichtet hat. Der Technische Direktor des Verbands Region Stuttgart wird in dem Schreiben aufgefordert, „darauf hinzuwirken, dass das 25 Hektar flächenfressende Planvorhaben Faurndau-Dittlau eingestellt wird“. Dies wird Kiwitt schon deshalb nicht tun, weil er das weder kann noch darf. Zudem hält er „den Standort für geeignet, auch wenn das Ergebnis der laufenden Untersuchungen natürlich noch abgewartet werden muss“. In diesem Zusammenhang würde auch eine intensive und unabhängige Betrachtung des durch die Stadt dargelegten Bedarfs erfolgen.

Kiwitt stellt allerdings klar, dass in der Region zusätzliche bezahlbare Wohnungen definitiv benötigt würden. „An Einfamilienhaus-Gebieten besteht kein großer Mangel, bei anderem Wohnraum ist das anders, weil sich die Anforderungen der Leute, die vermehrt in Ein-Personen-Haushalten leben, verändert haben“, betont er. Im Dittlau gehe es deshalb auch nicht um zusätzliche Fläche für Eigenheime.

Im Bezug auf die unterschiedlichen Zahlen räumt Kiwitt indes ein, dass es schwierig sei, solche überhaupt zu benennen: „Unterschiedliche Untersuchungen kommen zu unterschiedlichen Bedarfen. Für kleinere Kommunen sind solche Betrachtungen vielleicht noch möglich. Für die unmittelbare Ableitung von Baulandbedarfen einzelner Städte sind sie aber nur bedingt geeignet“. Fest stehe für ihn jedoch, dass künftig immer mehr Menschen in die Region Stuttgart kommen würden, in der das Verkehrsnetz schon jetzt sehr stark ausgelastet sei. „Wir brauchen also neue Wohngebiete an den wenigen Standorten, die eine Anbindung an den ÖPNV haben und wo wichtige Einrichtungen und Arbeitsplätze ohne lange Wege erreicht werden können“, sagt Kiwitt.

Landesnaturschutzverband unterstützt die Gegner des Projekts

Guido Till wiederum verweist darauf, dass die von ihm benutzten Zahlen und Berechnungen just von Kiwitt stammten. Ohne die 4600 Wohneinheiten nochmals zu zitieren, unterstreicht er, „dass die zur Arbeitskräftesicherung in Zukunft benötigten 3100 Personen im Regelfall ein Haus oder eine Wohnung nicht für sich alleine, sondern für ihre Familien suchen.“ Andererseits lebten viele Ältere und Alleinstehende in sehr großen Wohnungen, die nicht für den Markt und damit auch nicht für Familien zur Verfügung stünden, fügt er hinzu. Der Göppinger OB verweist ebenfalls auf die vorbereitenden Untersuchungen und darauf, „dass wir ganz am Anfang stehen“. Man könne die obige Frage erst in einigen Wochen, nach Abschluss der zurzeit laufenden konkreten Wohnbedarfsanalyse, beantworten. Dabei, so Tills Appell, müsste die Faurndauer Bevölkerung nicht nur ihre eigenes Quartier, sondern das ganze Stadtgebiet betrachten.

Volle Unterstützung bekommt die SGD derweil vom Göppinger Arbeitskreis des Landesnaturschutzverbands (LNV). Dessen Mitglieder äußerten in ihrer jüngsten Sitzung, wie es im Protokoll heißt, „gegen den Beginn vorbereitender Untersuchungen für das Wohngebiet Dittlau schwere Bedenken und fordern die Planungsträger und Genehmigungsbehörden zu einem Überdenken dieses immensen und unsinnigen Flächenverbrauchs auf“. Es gebe im Stadtgebiet wesentlich geeignetere und zentrumsnähere Areale, erklärt der LNV.