Drei Häuser des Bau- und Wohnungsvereins in Botnang sollen abgerissen werden – das dürfte sich aber bis Herbst 2016 verzögern. Foto: Torsten Ströbele

Der Bau- und Wohnungsverein Stuttgart ist vorerst mit der zweiten Räumungsklage gegen Mieter in der Beethovenstraße im Stadtbezirk Botnang gescheitert. Das Amtsgericht Stuttgart hat sie jetzt abgewiesen.

Stuttgart - Das Amtsgericht Stuttgart hat eine Räumungsklage des Bau- und Wohnungsvereins Stuttgart gegen eine Mieterin in Botnang – und mittelbar gegen ihren Sohn – abgewiesen. Dem Gericht erscheint zu dünn, was das traditionsreiche Unternehmen zur Begründung für die angestrebte Räumung vorgelegt hatte.

Das Wohnungsunternehmen – in der Landeshauptstadt einer der größten Vermieter – hatte angegeben, dass man statt einer Miete von 5,80 Euro pro Quadratmeter künftig nahezu das Doppelte erlösen könne, wenn die Gebäude Beethovenstraße 60–70 durch Neubauten ersetzt würden, was nicht teurer sei als die notwendige Modernisierung der Altbauten. Doch dem Gericht, sagt der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann, seien die Preisangaben zu pauschal gewesen, die Grundlage der Zahlen unklar erschienen. Bei einer Kündigung der Wohnung wegen „mangelnder wirtschaftlicher Verwertbarkeit“ müssten die Zahlen für die Mieter verständlich und nachvollziehbar sein.

Bau- und Wohnungsverein prüft, ob er in Berufung geht

Jürgen Oelschläger, einer der Vorstände des vor 150 Jahren gegründeten Bau- und Wohnungsvereins, macht denn auch ausschließlich formale Gründe für die Entscheidung des Gerichtes verantwortlich, „keine inhaltlichen“. Man prüfe mithilfe eines Anwalts, ob man Berufung einlege. Vorsorglich nehme man sich eine neue Kündigung vor. Die Mieterin befinde sich nach Informationen des Unternehmens inzwischen in einem Pflegeheim, sagte Oelschläger. Deren Sohn sei aber auch in der Wohnung gemeldet. Ein anderer Fall einer Räumungsklage für eine Wohnung in dem Gebäudekomplex ruhe derzeit.

Von insgesamt 48 Wohnungen in den drei Gebäuden stünden zurzeit 20 komplett leer, weil sie in keiner Weise mehr für eine Nutzung geeignet seien, sagte Oelschläger. In 26 Wohnungen seien von der Stadt Stuttgart, der man dies selbst angeboten hatte, rund 130 Flüchtlinge untergebracht. Der Verein wollte die Gebäude zunächst im Frühjahr, dann im Sommer 2016 abreißen. Inzwischen habe man der Landeshauptstadt signalisiert, dass die Flüchtlinge möglicherweise bis Ende Oktober bleiben könnten, wenn es mit den zwei klagenden Mietparteien vorher keine Einigung geben sollte.

Dem Gericht hatte der Verein auch angeboten, ihm den Vertrag mit der Stadt offenzulegen, um dem zirkulierenden Vorwurf auszuräumen, dass er den Mangel an Flüchtlingsunterkünften ausnutze, um Geld zu verdienen. Von der Stadt wolle man nur einen Ausgleich für Kosten, die durch den Gebäudeunterhalt entstünden, sagte Oelschläger, mehr nicht. Die Stadt habe ihrerseits einen gewissen Aufwand getrieben, um die 26 Wohnungen für Flüchtlinge nutzbar zu machen.

Mietpreis von rund zehn Euro je Quadratmeter im Neubau

Der Stuttgarter Mieterverein, dessen Anwalt die gekündigten Mieter vertreten hat, fordert vom Bau- und Wohnungsverein, das Projekt in Botnang zu stoppen. In der Stadt würden dringend bezahlbare Wohnungen gebraucht, betont Rolf Gaßmann. Eine Modernisierung eines Gebäudes sei in der Regel viel kostengünstiger als ein Neubau und erlaube daher auch günstigere Mieten. Das Unternehmen, das über ein Jahrhundert lang für bezahlbares Wohnen in Stuttgart gestanden habe, solle sich umbesinnen, statt mit seinen fast 5000 Wohnungen in Stuttgart nun „in höhere Preisregionen vorstoßen zu wollen“, so Gaßmann.

Der Bau- und Wohnungsverein hatte schon früher darauf verwiesen, dass die Häuser von 1927 noch eine Restlaufzeit von vielleicht zehn bis 15 Jahren hätten sowie keine Wärmedämmung, keine Balkone, kleine Zimmergrundrisse und keine barrierefreien Zugänge. Für die Neubauten peilte der Verein schon im vergangenen Jahr Mietpreise von rund zehn Euro je Quadratmeter an. Mieter sollen nach dem Neubau zurückkehren dürfen– einige sagten aber auch schon, sie könnten die teureren Preise nicht zahlen.