Die Bürger in Oberneustetten wollen, dass im Heimgebäude 65 Flüchtlinge statt, wie geplant, 200 Flüchtlinge unterkommen. Foto: Gottfried Stoppel

Zwei geplante Flüchtlingsheime führen in Murrhardt zu einer emotionsgeladenen Debatte. Bei der Informationsveranstaltung bekommen die Vertreter der Stadt den Zorn der Bürger zu spüren.

Murrhardt - Die Informationsveranstaltung hat noch gar nicht begonnen, aber die Gemeindehalle im Murrhardter Teilort Fornsbach ist schon rappelvoll. Alle Stühle sind belegt, viele Menschen stehen, geschätzt sind es fast 500. Und die allermeisten von ihnen machen ihrem Ärger Luft. Für sie ist klar: So schaffen wir das jedenfalls nicht. Mit diesem Worten lässt sich die Stimmung im Saal am frühen Abend ganz gut beschreiben.

Bei der Zusammenkunft wollen der Landrat Richard Sigel und der Murrhardter Bürgermeister Armin Mößner die Bürger über zwei geplante Flüchtlingsheime informieren. Das eine Gebäude in der Murrtalstraße in Fornsbach soll bereits an diesem Donnerstag bezogen werden, es ist für rund 60 Personen konzipiert. Einige der Anwohner fühlen sich überrumpelt. Sie sagen, der Ort mit rund 1500 Einwohnern werde überfordert.

„Wir sind die Mitte“

Für weit mehr Ärger sorgt indes das Gebäude im winzigen Oberneustetten, das bis dato als Altenheim mit 65 Plätzen genutzt wird, in dem vom kommenden Jahr an aber rund 200 Asylbewerber unterkommen sollen. In Oberneustetten leben laut Auskunft der Bürger lediglich acht Personen. Der Bürgermeister indes sagt, es seien 13 gemeldet, und in Oberneustetten und den Weilern drum herum lebten knapp 100 Murrhardter. Es sind jedenfalls wenige.

Einige Bewohner aus Ober- und Unterneustetten haben ein Gremium gegründet, das sie Bürgerkomitee nennen. Sie haben nach eigenen Angaben rund 800 Unterschriften gesammelt, von Menschen, die sich gegen die Unterbringung von so vielen Flüchtlingen in dem Heimgebäude aussprechen. Sie sperren sich indes nicht generell dagegen, dass Asylbewerber in dem Haus an der Durchgangsstraße unterkommen. Sie fordern, „die bisher geplanten Belegungszahl auf 65 und auf Familien zu begrenzen – für eine „bessere Integration, mehr Sicherheit, mehr Lebensqualität“. Einer der Initiatoren ist Björn Kirsten. Er sagt, dem Komitee werde mitunter vorgeworfen, dass die Mitglieder Nazis seien, „aber wir sind die Mitte“. Er selbst sei bereit, einen Flüchtling bei sich daheim aufzunehmen, wenn die Zahl der Personen in Oberneustetten auf 65 begrenzt werde.

Im Ort gibt es keinen Laden, der Bus fährt nur selten

Als Mößner und Sigel die Lage schildern, in der sich die Landkreise und die Kommunen befänden, ist es noch still in der Halle. Erst später wird es laut. Der Landrat und der Schultes erklären, dass das Land dem Rems-Murr-Kreis wöchentlich mehr als 200 Personen zuweise, die untergebracht werden müssten. Das Heimgebäude in Oberneustetten sei sicher nicht optimal, es sei aber ein Notlösung.

Das Haus, das ein Privatmann jetzt für zehn Jahre an den Kreis vermietet hat, liegt ab vom Schuss. Im Ort gibt es keinen Laden, der Bus fährt nur selten. Der nächste Polizeiposten ist weit weg. Doch der Landkreis sei verantwortlich für die Unterbringung der Flüchtlinge, und die Fachleute sagten, das Gebäude sei geeignet, so der Landrat. Der Murrhardter Bürgermeister Armin Mößner sagt, die Bürger sollten „Angst der Zuversicht weichen lassen“.

Je später der Abend, desto aufgeheizter die Stimmung

Doch zuversichtlich zeigen sich bei dieser Veranstaltung, die bis tief in die Nacht dauert, nur die wenigsten. Eine Frau vom Arbeitskreis Asyl sagt, die Flüchtlinge seien „eine Bereicherung“. Sie bleibt in der Minderheit. Je später der Abend, desto aufgeheizter die Stimmung. Viele, die sich zu Wort melden, sprechen von Angst vor den Fremden, vor Einbrüchen und Überfällen, vor dem Wertverlust der Immobilien, vor „schwarzen Männern“. Mehrmals wird Angela Merkel als die Hauptverantwortliche angeprangert für die rund eine Million Flüchtlinge, die bereits 2015 nach Deutschland gekommen sind. Die Kanzlerin habe der illegalen Einwanderung Vorschub geleistet, mit ihrer Politik und mit ihren Gesten. „Merkel bricht das Recht.“ Diese Aussage eines Redners wird mit tosendem Applaus bedacht. Ein Mann sagt zum Landrat und zum Bürgermeister: „Wenn etwas passiert, dann nehme ich Sie in die Verantwortung.“ Ein anderer sagt, er befürchte, dass er seine Immobilie verlassen müsse.

Eine Frau sagt, Oberneustetten sei ein herrliches Dorf mit Ruhe und Frieden, „ich bin entsetzt, was man mit uns macht“. Ein Mann sagt: „Wir entwickeln uns zu Wutbürgern, das passt mir gar nicht.“ Ein anderer sagt, die Syrer in Deutschland sollten „alle zu Soldaten ausgebildet und dann zurück geschickt werden in ihr Land“.

Der Landrat und der Bürgermeister sind längst in der Defensive. Sigel verspricht eine Hotline-Telefonnummer für besorgte Bürger, einen Sicherheitsdienst in dem Gebäude, der 24 Stunden da ist, und Betreuung der Asylbewerber durch Fachleute der Caritas. Zu vorgerückter Stunde erklärt er mit Blick auf die Zahl 200: „Wir nehmen ihre Sorgen mit und gehen noch mal in uns.“ Er weiß indes auch, dass das Land ständig weitere Asylbewerber zur Unterbringung im Landkreis schicken wird.