Raucherparadies Vatikan: Kardinal Jose da Cruz Policarpo steckt sich eine Zigarette an Foto: ANSA

Warum der Vatikan das Land mit dem höchsten Weinkonsum weltweit ist und pro Jahr Zigaretten im Wert von zehn Millionen Euro verkauft.

Rom - Ein regnerischer Wochentag. Trotzdem stehen in der Viale Vaticano Hunderte von Touristen geduldig in einer über einen Kilometer langen Schlange und warten darauf, eine Eintrittskarte kaufen zu können. In den Vatikanischen Museen ist es fast zu jeder Uhrzeit so voll wie in einer ShoppingMall während des Winterschlussverkaufs.

Pro Jahr besuchen etwa sechs Millionen Menschen die Museen im Kirchenstaat. So fließen rund 90 Millionen Euro in die vatikanischen Kassen. Bisher dachte man, dass die verkauften Eintrittskarten den Löwenanteil an den Einnahmen des Vatikans ausmachen würden. Bisher – denn seit kurzem legt der Kirchenstaat seine Bilanzen offen, und so erfährt man jetzt, wie der Kirchenstaat Geld einnimmt.

Täglich gehen etwa 2800 Angestellt ein und aus

Dazu muss man wissen, dass der Vatikan nur rund 800 Bürger hat, die meisten davon Geistliche und Ordensleute. Neben den Bürgern mit Wohnrecht gehen täglich etwa 2800 Angestellte, vor allem Laien aus Rom, im Kirchenstaat ein und aus. Auch sie kommen, wie die Vatikanbürger, in den Genuss einer „tessera“, einer Karte, die sie dazu berechtigt, Dienstleistungen innerhalb des Vatikans in Anspruch zu nehmen.

Dienstleistungen, die dem Kleinstaat Einnahmen bescheren. Da ist zum Beispiel die Apotheke. Es reicht das Rezept eines Hausarztes, und jeder Besucher Roms darf, nach Ausstellung eines Passierscheins bei der Porta Sant’Anna, hinein. Nicht nur dass das Medikamentenangebot weitaus größer ist als in Italien, sondern auch der Umstand, dass Kosmetika und andere Produkte rund 20 Prozent billiger sind als außerhalb des Vatikans, sorgt dafür, dass die Farmacia vaticana ständig voller Kunden ist.

Während eine italienische Apotheke im Durchschnitt pro Jahr 700 000 Euro Umsatz macht, präsentiert die Apotheke von Bruder Rafael Cenizo Ramirez stolze 33 Millionen Euro. Auch die vatikanischen Briefmarken und Münzen schlagen zu Buche: mit pro Jahr ungefähr 20 Millionen Euro.

Jährlich Zigaretten im Wert von zehn Millionen Euro

Die erstaunlichsten Zahlen der Bilanz des Vatikans betreffen aber den Verkauf von Genussmitteln, von Zigaretten und Wein. Der päpstliche Tabakwarenhändler setzt jährlich Zigaretten im Wert von zehn Millionen Euro um. Was nichts anderes bedeutet, als dass die etwa 3600 Personen, die im Kirchenstaat einkaufen gehen dürfen, pro Tag zwei bis drei Päckchen rauchen. Der Vatikan: ein Raucherparadies?

Und wer trinkt all den Wein, der pro Jahr im vatikanischen Supermarkt verkauft wird? Einer Studie des California Wine Institute zufolge ist der Kirchenstaat das Land mit dem höchsten Weinkonsum pro Kopf und Jahr: rund 74 Litern. Ohne den Messwein für die Gottesdienste mitzurechnen.

Wie also erklärt man sich den enorm hohen Zigaretten- und Weinkonsum im Zwergenreich der Päpste? Oder den Umstand, dass die einzige Benzinpumpe in den Vatikanischen Gärten pro Jahr 27 Millionen Euro bringt? Die Antwort pfeifen Roms Spatzen von den Kirchendächern.

Zahllose Römer, darunter auch die in der Stadt lebenden Auslandskorrespondenten, kennen irgendjemanden, einen Geistlichen oder einen Laien im Vatikan, der es ihnen ermöglicht, hinter den hohen Mauern des Kirchenstaates zu shoppen, sich mit Benzin, Medikamenten, Parfums, Kleidung, Lebens- und Genussmitteln zu versorgen. Und all das weitaus preiswerter als in Rom.