Ulrich Stietz bedient einen von drei Walzenstühlen. Sie sind schon seit 1949 im Einsatz Foto: Nicklas Santelli

In einer Serie stellen wir Menschen vor, die für besondere Produkte aus der Region stehen. Ulrich Stietz, von der Hegnacher Mühle, hält die familiäre Tradition aufrecht.

Hegnach - Es ist eine Idylle wie aus dem Bilderbuch, die sich dem Besucher der Hegnacher Mühle eröffnet. Sie ist an der Rems die heute einzige aktive Mühle und wurde 1874 gebaut. Nicht ganz so idyllisch gestaltet sich die Arbeit der Müller. Es ist Handwerk mit viel körperlichem Einsatz. „Man braucht kein Fitnessstudio und keine Schlaftabletten“, sagt Ulrich Stietz grinsend, der die familiäre Tradition aufrecht hält. Sein Beruf heißt offiziell „Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Getreidewirtschaft der Fachrichtung Müllerei“, aber der 54-Jährige sieht sich klassisch als Müller.

Beim Besuch läuft gerade lautstark eine maschinelle Getreidereinigung

Das passt auch zum Ambiente des alten Gemäuers. An soliden tragenden Holzsäulen stecken kleine Aluschaufeln in angeschraubten Lederriemchen. „Die sind noch von meinem Opa“, sagt Stietz. An einer Wand hängt ein Schaubild vom komplexen Aufbau des Weizenkorns, das aus dessen Schulzeit stammen könnte. Opas Meisterbrief und ein altes Kassenbuch sind weitere Details die zeigen, „dass wir hier sehr traditionsbewusst sind“. Beim Besuch läuft gerade lautstark eine maschinelle Getreidereinigung. „Es wird alles aussortiert, was die Maschinen oder uns beim Essen schädigt“, erklärt der Müller knapp. Geschädigt werden könnten die rot lackierten Walzenstühle, in denen mit Metallwalzen in mehreren Stufen das Korn zerkleinert wird, bis das Mehl die gewünschte Feinheit hat. Sie haben einst Steinwalzen abgelöst und datieren aus dem Jahr 1949, sind also auch schon historisch.

Mit Hochwasser, wenn die Rems über die Ufer tritt, gibt es keine Probleme mehr

Drei Jahre zuvor wurde das große Wasserrad durch eine Strom erzeugende Turbine ersetzt. Das Wasser der Rems treibt sie an, bis zu 40 Kilowatt kann das jetzige Modell erzeugen. Strom der Wasserkraftanlage, der nicht die eigenen Geräte antreibt, wird ins Netz in der Stadtwerke eingespeist. Es gäbe zwar den Platz für eine zweite Turbine, um mehr umweltfreundlichen Strom zu erzeugen. Doch Ulrich Stietz plagt sich seit Jahren mit bürokratischen Mühlen der Verwaltung. Mit Hochwasser, wenn die Rems über die Ufer tritt, hat er indes keine Probleme mehr, Rückhaltebecken am Fluss funktionieren. „1994 floss das letzte Wasser über den Hof.“ Eine Markierung am Gebäude erinnert an die damalige Wasserhöhe. Auch für die Jahre 1882, 1893, 1919 und 1956 gibt es Hochwasserstände an der Fassade die deutlich machen, dass das Leben und Arbeiten hier am Wasser nicht immer eine pure Freude war.

Weizen, Roggen oder Dinkel kommen aus der direkten Umgebung

In der Hegnacher Mühle entstehen im Jahr rund 1000 Tonnen Mehl. „Das machen große, industrielle Mühlen an einem Tag“, sagt Stietz. Bei ihm sind es etwa vier Tonnen, die am Tag verarbeitet werden. Aber ihm ist es wichtig, dass alles überschaubar bleibt – gerade auch für die Kunden. „Der Charme des Handwerksbetriebs soll bleiben.“ Die Hegnacher Mühle hat auch kein Silo, um fertiges Mehl zu lagern. Alles wird taggleich verpackt oder verarbeitet, zum Beispiel zu Müsli. Weizen, Roggen oder Dinkel kommen aus der direkten Umgebung, zum Beispiel vom Schmidener Feld. Stietz arbeitet „mit einer Handvoll“ Bauern zusammen und hat mit ihnen ein vertrauensvolles Verhältnis. Es gibt keine langen Lieferwege, auch nicht beim fertigen Produkt. Im eigenen Laden geht vieles über die Theke, er ist vor allem zum Wochenende hin stark frequentiert. Samstags wird Brot gebacken, das eigene Angebot wird ergänzt mit frischen Produkten aus der Landwirtschaft, es gibt Eier, Honig und Öl zu kaufen. Die Waren der Hegnacher Mühle sind zudem in Hofläden der Umgebung und nahen Rewe-Märkten zu finden. Ein gewerblicher Kunde der Hegnacher Mühle ist die Bäckerei Maurer, die mit „ungespritzter Wahrheit“ wirbt.

Auf seine treuen Kunden lässt er nichts kommen

„Mir ist es ein Anliegen, nah an der Natur zu arbeiten“, sagt der Müller, an der Nahtstelle der Verarbeitung zwischen Landwirt und Kunde. „Regionale Erzeugung für bewusste Verbraucher“, nennt Ulrich Stietz das. Bei der Zubereitung von Spätzle und Hefeteig merke man den Unterschied zwischen billigem Discounter-Mehl und dem, was er produziere, sagt der Hegnacher, der sich darüber ärgert, „dass bei uns der Fokus so auf dem Preis liegt“. Mancher habe kein Problem, einen überteuerten Kaffee am Markusplatz in Venedig zu ordern, schaue aber daheim auf jeden Cent. „Aber bei dem, was ein normaler Haushalt an Mehl verbraucht, da fällt der Mehrpreis zu unserem nicht ins Gewicht“, ist Stietz überzeugt. Seine Waren sind schon deshalb etwas teurer, weil hier im Vergleich zu großen Betrieben mehr Personal nötig ist.

Auf seine treuen Kunden lässt er nichts kommen. Als seine Mühle im Sommer Schlagzeilen machte, weil eine Käuferin in Mehltüten Spuren von Motten fand und die Lebensmittelkontrolle einschaltete, wurde es für den Müller kurz brenzlig. Doch die Reaktion der anderen Kunden sei „überwältigend“ gewesen, persönlich und schriftlich bekam er positiven Rückhalt. „So wissen wir wenigstens, dass hier nicht totgespritzt wurde“, freute sich eine Stammkundin vielmehr.

Es sei spannend, mit einem Naturprodukt zu arbeiten

Dass Ulrich Stietz seinen Beruf mit Herzblut ausübt, ist spürbar, wenn er davon erzählt. Diese Leidenschaft gibt er auch weiter – er unterrichtet einmal in der Woche an der Stuttgarter Berufsschule. Seine Mühle weiß er dann bei seiner Tochter und dem Schwiegersohn in guten Händen. Beide sind Müller. Und mit dem jüngst geborenen dritten Enkel scheint der Zukunft des Familienbetriebes nichts im Wege zu stehen. Gleichwohl sucht er Verstärkung zu seinem Gesellen und den Aushilfen. Etwa einen Fahrer und einen Auszubildenden. Es sei spannend, mit einem Naturprodukt zu arbeiten, sagt der 54-Jährige, das durch das Wetter Schwankungen unterliege. „Aber am Ende muss eine gleichbleibende Qualität stehen.“ Man habe viel mit Menschen zu tun, und die Bürokratie halte sich, zumindest noch, in Grenzen.

Für ihn selbst kam einst nach der mittleren Reife keine wirkliche berufliche Alternative in Betracht. „Irgendwie war alles brotlos“, sagt Stietz. Er bereut seinen Weg nicht. „Am Ende schaffe ich eben gerne was mit den Händen.“

Rezeptidee

Tobias Favorat, Küchenchef der Schmidener Eintracht, präsentiert seinen Vorschlag eines Schokoladen–Whiskykuchens mit Zwetschgen und weißem Zimteis.

Destillate sind in der Dessertküche eigentlich kaum wegzudenken, sagt Tobias Favorat, der Küchenchef in der Schmidener Eintracht. Viele verzichten bei der Herstellung aber meistens auf die feinen Geister, damit Kinder das Dessert auch bedenkenlos essen können. Die Destillate sind ein kleiner, aber wichtiger Bestandteil eines guten Rezeptes aus der Patisserie. Beim Eis zum Beispiel hilft das Destillat, damit das Eis in der Gefriertruhe cremig bleibt, nicht so schnell kristallisiert oder zu fest wird.

Je nach Destillat gibt es natürlich auch noch einen außergewöhnlichen Geschmack. Ein Destillat macht ein Dessert noch spannender, ein Gin passt immer sehr gut zu Früchten, da er mit seinen zahlreichen, auch unterschiedlichen Botanicals wie zum Beispiel Wacholder oder Pfeffer perfekt zu Steinobst passt, das sehr häufig verwendet wird. Whisky und Schokolade verstehen sich aber auch sehr gut.

Schokoladen–Whiskykuchen mit Zwetschgen und weißem Zimteis

Schokoladenkuchen

420 gr. dunkle Schokolade

100 gr. Butter

100 gr. Eigelb

6 cl Whisky

200 gr. Eiweiß

140 gr, Zucker

Vorbereitung: 10 feuerfeste Förmchen (6cm ) mit Butter einpinseln und mit Zucker auskleiden, dann kalt stellen.

Kuvertüre und Butter bei 45 – 50 °C im Wasserbad schmelzen lassen. Das Eigelb und den Whisky in die Schokoladenmasse geben und glatt rühren. Das Eiweiß mit dem Zucker zu steifem Schnee schlagen und unter die Schokoladenmasse heben.

Die Schokoladenmasse in die Backformen füllen und bei 200°C ca. 10-12 Minuten backen.

Zwetschgen

1000 gr. entkernte Zwetschgen

200 gr. Wasser

125 gr. Zucker

2 cl Zwetschgenwasser

2 cl Gin

Zwetschgen, Zucker und Wasser zum kochen bringen. Die Zwetschgen 10 Minuten leicht köcheln lassen, mit einem Stabmixer fein mixen, den Gin und das Zwetschgenwasser dazu geben, fein mixen und passieren. Das Zwetschgen–Coulis kalt aufbewahren.