Raumausstatter Henry Schweizer (links) und Jazz-Open-Veranstalter Jürgen Schlensog beim Gentleman-Abend im Amici. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

„Gentle“ lässt sich mit gütig und liebenswürdig übersetzen. Gibt es in Stuttgart die Männer dazu? Unser Kolumnist Uwe Bogen hat einen Abend mit Männerspielzeugen im Amici verbracht.

Stuttgart - Weiß das nicht jeder? Ein Gentleman genießt und schweigt. Höchstwahrscheinlich ist der Schreiber dieser Zeilen gar keiner. Sonst dürfte er nicht verraten, was beim genussreichen Abend nur für Männer im Amici los gewesen ist. Wenn Frauen beim stilvollen Trinken und Essen fehlen, das Baggern also wegfällt, sofern es Männer nicht unter sich tun – verhält sich das angeblich starke Geschlecht dann anders?

Und worüber sprechen und scherzen Gentlemen, die es nach britischem Vorbild tatsächlich sind, es werden möchten oder die sich dafür halten, unter ihresgleichen?

In München betreibt er das Armani-Restaurant

Michael Wilhelmer, Chef des Amici unweit des Stuttgarter Hauptbahnhofs, Festwirt auf dem Cannstatter Wasen und Betreiber des Armani-Restaurants in der Münchner Schicki-Passage Fünf Höfe, hat auf tiefschwarzen Einladungspappen für diesen Abend die „Präsentation und Performance von Männerspielzeugen“ versprochen. Zusammen mit Breuninger und Porsche bittet er zu einem exklusiven Event in seinen Club im Zeppelin-Carré, drinnen wie draußen. „Lady-Days“, sagt der Gastgeber bei seiner Begrüßung, gebe es viele. Nun seien die Männer dran. Hurra, wir können’s auch!

Bei Kerzenlicht und Tischfeuer, an Champagnertheken und an geöffneten Zigarrenkisten versammeln sich 90 Männer – gibt es so viele Gentlemen in Stuttgart? Der Begriff lässt sich beim Googeln rasch eingrenzen. Der Philosoph Lewis Mumfords etwa schreibt, einen Gentleman zeichne „verkörperte Männlichkeit“ aus. Ein Gentleman ist für ihn „ein Beispiel vollkommenen Betragens, entschieden in allen Handlungen, stoisch im Leiden, selbstbeherrscht, rücksichtsvoll, physisch auf der Höhe und mit einer humanistischen Erziehung“.

Blau und Anthrazit sind bei Anzügen im Trend

Puuh, das Anforderungsprofil ist happig. Peter Lang, der im Maßatelier von Breuninger arbeitet, hält nichts davon, den Begriff Gentleman aufzublasen. „Ein wahrer Gentleman fällt nicht auf“, sagt er, „bei ihm stimmt mit Krawatte und Einstecktuch alles.“ Bei Lang, der eine Modeschule in Stuttgart besucht hat, kann man sich Hemden ab 150 Euro maßschneidern lassen sowie Anzüge für 1800 bis 10.000 Euro. Zu seinen Hemdenkunden, berichtet er, gehören viele junge Männer, oft vom Fitnesstraining so sehr mit Muskeln bepackt, dass normale Hemden spannen und nicht gut aussehen. Die Trendfarben bei Anzügen sind bei ihm Blau und Anthrazit. „Blau wirkt nicht so hart“, findet er. Sein Rat an modebewusste Menschen: „Man sollte seinen Stil finden, ihn aber immer wieder brechen.“

Womit Männer am liebsten spielen? Michael Wilhelmer, der „Männerspielzeuge“ angekündigt hat, deutet auf den Porsche auf seiner Terrasse und auf die Dom-Pérignon-Champagnerflaschen. Sein liebstes Männerspielzeug steht bei ihm daheim. Es ist eine handgeschnitzte Harley aus Holz in Originalgröße. In Brüssel sah er sie in einem Schaufenster. Der Laden war geschlossen. Seine Frau Daniela Wilhelmer vergaß seinen Blick vorm Schaufenster nicht. Sie fuhr heimlich nach Belgien zurück und schenkte ihm das hölzerne Motorrad zur Hochzeit.

Über Frauen wird kaum gesprochen

Raumausstatter Henry Schweizer trägt sein Männerspielzeug am Handgelenk – er mag Uhren. „Lottofee“ Chris Fleischhauer und sein Partner Steffen Schneider, die Chefs des Mode-Start-ups Gentsbox, stehen auf Fliegen, die man selbst bindet. Jürgen Schlensog, Veranstalter der Jazz-Open, erfreut sich an kubanischen Zigarren. In Gedanken ist er schon bei seinem Jazzfestival 2018, das dann den 25. Geburtstag feiert. Gerade werden dafür Verträge unterzeichnet – mit wem, verrät er nicht. Die Aufgabe, die Jazz-Open immer weiter zu toppen, ist verdammt hart, sagt er, während er cool an der Zigarre zieht und ziemlich lässig aussieht, halt ganz gentlemanmäßig.

Gesprächsthemen im Amici sind Zigarren, Champagner-Jahrgänge, Autos und die Arbeit. Über Frauen wird kaum gesprochen.

Junge Start-up-Unternehmer feiern mit

Wahre Gentlemänner fangen früh an. Unter den Gästen sind die jungen Start-up-Unternehmer Thomas Wagner und Robin K. Bieber. Die Geschäftsidee des 32-jährigen Wagner, eines früheren Radsportprofis: Clevermieten, so heißt seine neue Firma. Er mietet in Stuttgart große Wohnungen an, sichert den Besitzern ein langes Mietverhältnis zu, erledigt alle Reparaturen und Verwaltungsaufgaben. Die Zimmer gibt er einzeln an Studenten, Auszubildende oder Berufsanfänger günstig weiter. „Eine Bäckereifachverkäuferin wohnt, weil die Mieten in Stuttgart so hoch sind, außerhalb und muss morgens um 4 Uhr losfahren“, sagt er. Weil das keiner wolle, würden auf Dauer Fachkräfte in der City fehlen. Sein Start-up sorge für „kostengünstige Mieten durch effiziente Nutzung des Wohnraums“.

Sein Kumpel Robin Bieber, 25, startet eine „Cast Academy“, bei der sich junge Leute interaktiv über die Film-, Schauspiel- und Musikbranche informieren können.

Auf Ideen kommt’s an! Wer sie hat und damit Erfolg, wird sich allerlei Männerspielzeug leisten können. Die Gäste im Amici genießen und schweigen nicht dabei. Sie sprechen über das, was ihnen Spaß macht – oft ist’s die Arbeit, ob sie nun Gentlemen sind oder bei der Vorstellung schmunzeln.