Stefanie Liepins und Nathanael Maier bilden eine Doppelspitze. Foto: factum/Simon Granville

Die SPD liegt in Umfragen bei acht Prozent. In Ludwigsburg ist das den jungen Leuten egal – sie treten trotzdem zahlreich ein. Was ist bei den Genossen der Barockstadt anders als im Rest der Partei?

Ludwigsburg - Stefanie Liepins und Nathanael Maier haben sich 2016 kennengelernt. Sie war damals Vize-Ortsvereinschefin, er Neumitglied und wohnte als Student der Religionspädagogik auf der Karlshöhe – in einer WG in einem Altenheim. „Wir haben damals beschlossen, Parteibücher von neuen Genossen persönlich zu übergeben“, erinnert sich Liepins. Kaum drei Jahre später führt die 40-Jährige mit dem 29-jährigen Maier die Partei in die Kommunal- und OB-Wahlen.

Dass dies so gekommen ist, hat auch mit Yannick Schulze zu tun, dem Vorgänger im Amt des Ortsvereinschefs. Dieser war 2016 mit viel Elan gestartet, wurde als Juso-Geschäftsführer im Land jedoch in den Datenschutz-Skandal der Partei verwickelt. Ihm wurde vorgeworfen, im innerparteilichen Wahlkampf um den Landesvorsitz zwischen Leni Breymaier und Lars Castellucci Adressdaten an dessen Anhänger herausgegeben zu haben.

Die Doppelspitze ist aus der Not geboren

Daher hat Schulze bereits im Januar den SPD-Vorsitz ruhen lassen, inzwischen arbeitet er für die Gewerkschaft IG Bau, Chemie und Energie. Liepins, Maier und die Stadträtin Regina Orzechowski leiteten den 240 Mitglieder starken Ortsverein kommissarisch. Es war klar, dass im September eine neue Parteispitze gewählt werden musste. So wie die Bundespartei setzte man dabei auf eine Doppelspitze, wofür extra die Satzung geändert wurde.

„Wir sind im Wahlkampf als Team zusammen gewachsen“, sagt Stefanie Liepins, „daraus ist auch die Idee einer Doppelspitze entstanden.“ Liepins entstammt einer alten SPD-Familie, der eher konservative Vater trat 1972 wegen Willy Brandt in die Partei ein. Und die Mutter Margit Liepins ist SPD-Fraktionschefin im Stadtrat – wobei beide Wert darauf legen, als eigenständige Persönlichkeiten respektiert zu werden. Stefanie Liepins hat an der Filmakademie das Drehbuchschreiben erlernt und sogar schon eine Folge der TV-Serie „Soko München“ verfasst. Später war sie Werkstudentin bei Porsche. Inzwischen arbeitet sie für den SPD-Landesverband als Pressesprecherin.

Im Vorstand sind viele junge Mitglieder

Nathanael Maier stammt aus Immenhausen bei Tübingen, einem kleinen Dorf. Die Familie war landwirtschaftlich geprägt, die Kartoffelernte war ein Großereignis. Nach dem Abitur versuchte er sich im Theologiestudium an der Uni Tübingen, wechselte dann aber nach Ludwigsburg, um Religionspädagogik zu studieren. Von März an kann der 29-Jährige bei der Landeskirche als Diakon arbeiten.

Der Generationswechsel macht sich nicht nur im deutlich verjüngten Vorstandsteam bemerkbar. Die beiden Kommunalwahlkämpfe haben viele junge Menschen zur SPD gebracht. „Ich bin an dem Tag in die Partei eingetreten, als die AfD die Sozialdemokraten überholt hat“, sagt Nathanael Maier. So gehe es vielen jungen Menschen. Für die Gemeinderatswahl hat die Partei den jenseits von Studentenkreisen weitgehend unbekannten Maier auf Platz eins gesetzt – er wurde gewählt. Liepins kam in den Kreistag.

Die SPD diskutiert auch mal mit Busfahrern

Die beiden setzen auf kommunale Themen – und wollen über das sozialdemokratische Milieu hinaus Menschen ansprechen. Etwa mit einer Dialogreihe, in der auch mal der Betriebsratschef des Busunternehmens Jäger auftritt, Abdullah Tas. Oder alleinerziehende Mütter, die sich zur Kita-Situation äußern. Bürgerbeteiligung ist das Thema, das sich die SPD auch in der Stadtpolitik auf die Fahnen geschrieben hat. „Wir müssen die Stadtteile wieder mehr einbinden“, sagt Liepins. Den Streit mit der abgelösten Neckarweihinger Stadtteilausschuss-Rätin Nadine Untch erklärt sie für abgeschlossen.

Viel Motivation und Aufbruchsstimmung also in einer Partei, die im Land bei acht Prozent liegt. Wie geht das zusammen? Nathanael Maier findet einen passenden Vergleich aus der Landwirtschaft: „Wer sät, muss Geduld haben und warten, bis alles ausgewachsen ist.“ Diese Weisheit habe man in der SPD in Berlin verlernt und agiere zu hektisch, sagt Maier: „Sobald im Sommer die ersten Triebe erkennbar sind, wird mit dem Pflug durchgefahren und geerntet. Und dann wundert man sich, dass im Winter alles erfroren ist.“